Datenverweigerung als politisches Statement

Die Gefahr für die Demokratie geht nicht von Geheimdiensten aus. Sie liegt in unserem gedankenlosen Vertrauen in die Macht von Big Data und Software-Lösungen, schreibt Evgeny Morozov in einem Essay für Technology Review.

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„Eine neue, auf Echtzeitdaten der Bürger beruhende digitale Infrastruktur erlaubt es den Technokraten, politische Entscheidungen – samt dem sie begleitenden Lärm, den Reibereien und Unzufriedenheiten – aus dem politischen Prozess herauszunehmen“, schreibt der Medienforscher Evgeny Morozov in der aktuellen Ausgabe von Technology Review. Dem Bürger komme in diesem System „lediglich die Rolle einer Informationsmaschine zu, die den techno-bürokratischen Komplex mit Daten füttert.“ Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, ruft der mit pointiert internetskeptischen Thesen bekannt gewordene Medienforscher dazu auf, sich dem Trend des Selbst-Tracking mit Fitness-Bändern, Schlaf-Monitoren und vernetzen Waagen, wie sie die Quantified-Self-Bewegung propagiert, zu verweigern.

„Wir müssen lernen das System zu sabotieren – indem wir uns dem Selbst-Tracking generell verweigern. Wenn das der einzige Weg ist, Politiker zur Beschäftigung mit den strukturellen Ursachen von Problemen wie Übergewicht oder Klimawandel zu zwingen – und nicht nur an den Symptomen herumzudoktern“, schreibt Morozov. Die „Weigerung, mit den eigenen Daten Geld zu verdienen“, könne „ebenso ein politischer Akt sein wie kein Auto zu fahren oder kein Fleisch zu essen. Wir wollen Privatsphäre, weil wir immer noch an unsere Fähigkeit glauben, die Probleme der Welt zu reflektieren und Lösungen zu finden – und wir möchten diese Kompetenz nicht an Algorithmen und Rückkopplungsschleifen abtreten.“ (wst)