Netzneutralität: Überholspur für TV-Sender?

In die Diskussion um die Netzneutralität schalten sich zunehmend Rundfunkanbieter ein, die befürchten, auf die langsame Datenspur abgeschoben zu werden.

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Von
  • Torsten Kleinz

Bei der Netzneutralität treffen die Interessen der Netzwerk-Provider auf die der Fernsehanstalten, die auch künftig bei der Durchleitung ihrer Programme nicht benachteiligt werden wollen.

Die Debatte um Netzneutralität schlägt in Amerika und Europa zur Zeit hohe Wellen, da sich Gesetzgeber und Regulierer nun nach den Grundsatzentscheidungen auf die künftigen Regeln festlegen wollen. Bei einer Fachtagung bei der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) in Düsseldorf machten die Sender am Mittwoch klar, dass sie keinesfalls draufzahlen wollen. "Wir sind für absolute Netzneutralität bei gleichzeitiger Bevorzugung des Rundfunks", fasste Tobias Schmid, Vorstandsvorsitzender des Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), die Haltung seines Verbandes scherzhaft, aber im Prinzip korrekt zusammen. Zwar äußerte er Verständnis dafür, dass die Provider angesichts der hohen Anspruchshaltung der Politik und den Forderungen nach rapiden Ausbau der Netze nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Doch die Sender wollen nicht extra bezahlen. Die Provider hätten sich selbst in die Lage manövriert, bei der sie ihre Dienste zu Billigpreisen als Flatrate anbieten und Angst vor Preiserhöhungen hätten. Dass es irgendeinen Engpass gäbe, der die Abschaffung der bisherigen Praxis notwendig mache, habe ihm bisher niemand glaubhaft erklären können.

Den oft wiederholten Versprechen der Provider, dass sie das Best-Effort-Netz ungeachtet anderer Geschäftsmodelle weiter nach Kräften ausbauen werden, schenkt er wenig Vertrauen. "Unternehmen wie RTL würden für eine Dienstklasse nur zahlen, wenn sie einen Mehrwert bietet", sagte Schmid, der bei RTL für Medienpolitik zuständig ist. Ein solches priorisiertes Netz würde dann aber sehr schnell zum Standard werden, den die Kunden erwarteten. Das Versprechen eines performanten Best-Effort-Netzes verglich Schmid mit einer Zusicherung der Sender, für nicht zahlende Kunden ihr Programm in Schwarz-Weiß auszustrahlen.

Professor Bernd Holznagel von der Universität Münster, beleuchtete die vom Europaparlament verabschiedeten Regeln zur Netzneutralität. Für ihn ist das Grundprinzip der Verordnung radikal, da es nur in expliziten Ausnahmefällen Diskriminierungen von normalen Internetdiensten erlaubt. Bei den zugelassenen Spezialdiensten sieht Holznagel jedoch Nachholbedarf. "Die Verordnung ist in dem Bereich sehr schwammig", sagt der Jurist. So schlägt er vor, festzuschreiben, dass das Best-Effort-Netz nur einen bestimmten Faktor hinter die Spezialdienste zurückfallen darf. Wollen die Provider höhere Bandbreiten für beispielsweise Netflix bieten, müssten sie auch das Netz für andere Anbieter nachrüsten. Zudem seien bei der jetzigen Fassung der Netzneutralitätsregeln die deutschen Rundfunkregulierer außen vor – die Verordnung sieht nur eine nationale Aufsichtsbehörde vor.

Von mehreren Teilnehmer wurde beklagt, dass die großen Provider, die die Netzneutralität als überholt betrachten, ihre Karten noch nicht auf den Tisch legen und verschwiegen, wie konkret sie denn welche Leistungen in Zukunft mit den Inhalteanbietern abrechnen wollen. Isabel Tilly von Vodafone erklärte, dass ihr Unternehmen derzeit keine Pläne habe, Kooperationspartner im eigenen Netz zu bevorzugen. So habe Vodafone es zwar Partnerschaften im Mobilnetz, bei denen der Provider die Dienste von Inhalteanbietern im Paket anbietet. Die Kunden könnten das im Paket angekaufte Datenvolumen jedoch auch für andere Dienste verwenden, eine Diskriminierung finde deshalb nicht statt. "Ich glaube jedoch: Langfristig muss es Diensteklassen geben", erklärte Tilly. Denn schon heute sei der Datentransport durch den Einsatz von Content-Delivery-Networks wie Akamai keineswegs neutral. Im vorhinein mögliche neue Geschäftsmodelle zu verbieten sei eine Überregulierung.

In die gleiche Kerbe schlug Jürgen Brautmeier, Direktor der LfM. Er vergleicht die Netzneutralitätsdebatte mit den bisherigen Aufgaben der Rundfunkregulierer, die sich zum Beispiel damit beschäftigten, welche Sender Kabelanbieter transportieren müssen und wie Hersteller ihre Elektronischen Programmübersichten zu gestalten haben, um niemanden zu benachteiligen. Er plädierte deshalb für eine relativ offene Regulierung. "Gebt uns einen Regulierungsrahmen, geht aber nicht zu sehr ins Detail", sagte er an die Adresse der Gesetzgeber. Nur so könnten Stellen wie die Landesanstalt effektiv gegen etwaigen Missbrauch vorgehen.

Alexander Scheuer von der Deutschen Telekom wollte die Ansprüche der Sender nicht unwidersprochen lassen. So sei es keineswegs neu, dass die Sender für den Transport ihrer Inhalte zahlen – dies sei in der Vergangenheit durch die Rundfunkgebühren finanziert worden. Einen Dienst wie die Telekom-eigene IP-TV- Plattform T-Entertain könne man ebenfalls nur als Managed Service realisieren, zudem sei diese schon komplett durchreguliert. Die Furcht vor einem ausgebremsten Best-Effort-Netz will er nicht nachvollziehen: "Kein Netzbetreiber hat ein Interesse, den Kunden zu frustrieren", sagte Scheuer. (it)