Die Woche: Linux und der Mittelstand
Eine neue Studie, für die die kaufmännischen Entscheider befragt wurden, findet erstaunlich wenig Linux in mittelständischen Betrieben. Dafür gibt es eine Erklärung.
Dieser Tage hat das Marktforschungsinstitut TechConsult die Ergebnisse einer Befragung unter 200 kaufmännischen IT-Entscheidern mittelständischer Unternehmen mit 20 bis 500 Mitarbeitern vorgestellt. Das sind bei den kleineren Mittelständlern meist die Geschäftsführer, bei größeren Mittelständlern häufig die Controller. In aller Regel liegt hier die Verantwortung für den größten Teil des IT-Budgets.
Eines von vielen Themen war die Frage, ob Linux auf den Servern des Unternehmens eine bedeutende Rolle spielt. Das überraschende Ergebnis: Dem ist ist offenbar nicht so. In allen untersuchten Branchen beantworteten weniger als 20 Prozent der Befagten die Frage mit ja. Lediglich unter größeren Mittelständlern mit 200 und mehr Mitarbeitern spielt Linux bei 28 Prozent der Firmen eine Rolle.
Das widerspricht nahezu allen anderen Studien zum Thema. So berichtet die Europäische Kommission in ihrer 2006 veröffentlichten Studie zum Einfluss von Open Source auf die europäische Wirtschaft Zahlen von 2002, nach denen bereits damals gut 30 Prozent der deutschen Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern Linux einsetzten, und zitiert eine IDC-Studie, nach der 2005 der Einsatzgrad von Linux unter europäischen Unternehmen bei 40 Prozent lag – wobei Linux in Deutschland im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viel eingesetzt wird. Auch TechConsult fand schon 2005 Linux bei einem Drittel der befragten deutschen Unternehmen – mit Tendenz zu weiterem Wachstum. In der öffentlichen Verwaltung war Open Source sogar bei 70 Prozent der für eine Studie des Fraunhofer-Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation befragten Behörden im Einsatz.
Nimmt man diese Zahlen aus anderen Studien als Orientierung, sind knapp 20 Prozent Linux im deutschen Mittelstand deutlich zu wenig. Heiko Miertzsch von TechConsult hat dafür jedoch eine Erklärung: Alle anderen Studien haben IT-Leiter befragt, die sich natürlich mit ihrer Soft- und Hardware auskennen. Die hier untersuchten kaufmännischen Entscheider interessierten sich hingegen gar nicht dafür, welche Betriebssysteme in ihrer Firma im Einsatz sind. Linux, so Miertzsch, ist im Mittelstand vor allem ein Infrastrukturthema. Übersetzt heißt das: Die Geschäftsführung will, dass das LAN funktioniert und die Mail ankommt. Wie das erreicht wird, ist Sache des (technischen) IT-Verwantwortlichen – der im Mittelstand aber nur selten über die Budgets entscheidet.
Linux (und damit wohl auch Open Source generell) ist – zumindest, was den Mittelstand angeht – keineswegs schon so im Business angekommen, wie man immer wieder liest. Bei den mittelständischen Etnscheidern sind Fragen wie Linux oder Windows, Open Source oder proprietäre Lösungen vielfach nicht relevant. Möglicherweise ist sogar IT insgesamt viel weniger Thema, als es sich Hersteller und Consultants wünschen: Hauptsache, die EDV läuft und kostet nicht zu viel Geld.
Die Konsequenz? Zumindest bei kleineren Unternehmen dürfte die Entscheidung für Open Source wohl eher auf Admin-Ebene entweder aus technischen Gründen fallen (man nimmt, womit man sich auskennt), oder aber schlicht aus finanziellen: Wenn man eine Linux-Distribution aus dem Internet runterladen und damit einen Großteil der benötigten IT-Dienste aufsetzen kann, muss man sich vor niemandem rechtfertigen, warum die Lizenzkosten für den Mailserver dieses Jahr schon wieder steigen. Bis Open Source im Mittelstand zu einer strategischen Frage wird, dürfte es noch dauern. Spannend wäre, ob es bei großen Unternehmen schon anders aussieht – immerhin findet auch diese Studie eine Tendenz zu mehr Linux (oder vielleicht besser: mehr Linux-Bewusstsein auf der Chef-Etage) mit steigender Unternehmensgröße. (odi)