Bundeswehr will Twitter und Facebook auswerten

Auch das Verteidigungsministerium interessiert sich für Twitter und Facebook als Quellen für die offene Nachrichtengewinnung. Die Linksfraktion verärgert das, nicht zuletzt, weil sie durch ein "Büroversehen" falsch informiert wurde.

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Von
  • Detlef Borchers

Das Verteidigungsministerium unterstützt mit 1,35 Millionen Euro ein Fraunhofer-Forschungsprojekt, das sich mit der "Wissenserschließung in offenen Quellen" (WeroQ) befasst. Im Sinne der Open Source Intelligence werden dabei nicht nur offene Newsdienste wie heise online ausgewertet, sondern auch soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook. Die so erhaltenen Informationen sollen zu einem besseren Lagebild beitragen. Besonders pikant: In einer ersten Antwort verneinte das Ministerium, dass soziale Medien durchsucht werden sollen. Dieses war aber ein "Büroversehen", das die Linksfraktion als nicht glaubhafte Darstellung verärgert kommentiert.

Das Forschungsprojekt WeroQ ist laut der Antwort der Bundesregierung und der Korrektur dieser Antwort darum bemüht, offene Quellen so auszuwerten, dass die Ergebnisse als erweitertes Lagebild in das Führungsinformationssystem der Bundeswehr (FüInfoSys) eingespeist werden können. Mit dem bis Ende 2016 laufenden Projekt ist das Fraunhofer-Institut FKIE beauftragt, ein Teilprojekt geht an die IBM-Sparte für Content Analytics. Hier soll herausgefunden werden, wie sich IBMs Watson beim "Knowledge Discovery" in offenen Datenbeständen am besten anflanschen lässt.

Das Fraunhofer FKIE befasst sich seit einiger Zeit mit dem Problem, wie unstrukturierte Daten in offenen Quellen zum Informationsgewinn für Lagebilder genutzt werden können. Auf diese Weise sollen Informations- und Warnsysteme aller Art für die Führung von Einsatzkräften verbessert werden. Durch die Einbeziehung von Social Media werden einfache "Command & Control-Information Systems" (C2IS) zu "Social C2IS".

In einem NATO-Papier zum Thema "Concept for a SocialC2IS – Bridging the Heterogeneity of People and IT" führt der Fraunhofer-Forscher Michael Wunder eine ganze Reihe von Plattformen an, die ausgewertet werden können, unter ihnen Facebook, Google Maps, Google Earth, Wikis sowie Twitter. In einer Seminarwerbung zu OSINT-Analysen heißt es: "Durch Einsatz modernster IT-Technologien lassen sich die Ziele von Polizei, Nachrichtendiensten und Streitkräften, die Qualität und Präzision der Informationsanalyse zu steigern und dabei den finanziellen Aufwand gering zu halten, unterstützen."

Das neue Forschungsprojekt des Verteidigungsministeriums reiht sich ein in ähnliche Projekte anderer Behörden. So wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) 300 Millionen Euro für die Überwachung sozialer Netzwerke haben will. Dies will der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko von der Linksfraktion verhindern. Auf keinen Fall dürfe der Bundesnachrichtendienst über eine solche Software verfügen, erklärte er. "Das Vertrauen in die Freiheit der digitalen Kommunikation würde ansonsten weiteren schweren Schaden nehmen."

Dieses Argument ist für Innenminister Thomas de Maizière nicht nachvollziehbar. Im ARD-Morgenmagazin wies de Maizière die Kritik an der geplanten Geheimdienst-Beobachtung sozialer Netzwerke zurück: "Die Nutzung verlagert sich stark vom klassischen Telefon hin zu sozialen Netzwerken. Und wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen – nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen -, warum soll dann nicht ein Dienst auch auf diese Dienste zugreifen dürfen?", fragte de Maizière.

[Update 4.6., 11.38]

Nach offizieller Auskunft des Fraunhofer FKIE können aufgrund der vorgesehenen Einstufung der Studie als geheime Verschlusssache keine Detailinformationen zu WeroQ veröffentlicht werden. Zum aktuellen Stand erklärte das FKIE, dass die Mittel für das WeroQ-Projekt noch gar nicht bewilligt worden sind. (anw)