Russland will europäische Flugpassagierdaten 3,5 Jahre lang speichern

Nachdem die EU Verträge zum Austausch von Fluggastdaten mit den USA, Australien und Kanada geschlossen hat, sind in Brüssel auch Russland, Mexiko, Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate vorstellig geworden.

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Immer mehr Staaten wollen umfangreiche Passagierdaten europäischer Reisender unter dem Aufhänger der Terrorabwehr rastern. Neben Russland hätten auch Mexiko, Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate von europäischen Fluglinien die Übermittlung sogenannter Passenger Name Records (PNR) gefordert, erklärt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken. Die EU-Kommission befinde sich mit diesen Staaten im Dialog, habe aber bislang keine konkreten Verhandlungen aufgenommen.

Die bereits verabschiedeten PNR-Abkommen mit den USA, Australien und Kanada haben vor allem in Russland Begehrlichkeiten geweckt. Ein russisches Gesetz verlange schon jetzt den Transfer von Fluggastdaten an nationale Behörden, berichtet das federführende Bundesinnenministerium. Die Bestimmung werde aber "noch nicht umgesetzt" und sei bereits mehrmals Gegenstand von Gesprächen mit Moskau gewesen. Noch gebe sich Russland mit Angaben wie Namen, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer, Geschlecht sowie biometrische Daten in Form der "Advanced Passenger Information" (API) von Fluglinien zufrieden, die das Territorium ansteuern.

Der Datenhunger Moskaus ist aber größer. Mittelfristig möchte Russland das gesamte von Airlines erhobene PNR-Set, das etwa auch E-Mail-Adressen, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern, Essenswünsche oder Angaben über den gesundheitlichen Zustand Reisender umfasst, weiß die Bundesregierung. Die neue Regelung gelte zudem auch für Fernreisen mit der Bahn, Hochsee- und Binnenschiffe sowie Bussen, bei denen die Anbieter bisher keine Passagierdaten erhöben. Zudem habe Moskau angekündigt, vom 1. Juli an zunächst API-Daten auch für Flüge über russisches Gebiet abzufordern.

Anfang des Jahres hat die russische Regierung dem Dokument zufolge bei einem Treffen mit der EU-Kommission zugesichert, ohne Abkommen mit Brüssel keine PNR zu verlangen. Zudem habe sich Moskau bereit erklärt, die ursprüngliche vorgesehene Speicherdauer von sieben auf 3,5 Jahre zu verkürzen. Im Anschluss habe es aber wegen der Ukraine-Krise keine weiteren Treffen gegeben. Es bleibe daher abzuwarten, ob die angekündigte überarbeitete Fassung der russischen Anweisung diese Zusagen widerspiegele.

Nach Angaben der Bundesregierung arbeitet die Kommission mittlerweile an einer Blaupause, um Ziele und Kriterien etwa für Technik und Datenschutz für eine PNR-Übermittlung an Drittstaaten allgemein festzulegen. Als mögliche Option sei eine Übereinkunft auf Basis einer EU-Verordnung mit Staaten im Gespräch, die von europäischen Fluggesellschaften Passagierdaten verlangen und mit dem Entzug von Landerechten drohen. Zunächst habe es geheißen, dass eine entsprechende Mitteilung im Juni erfolgen solle. Diesen Zeitplan habe die Brüsseler Regierungseinrichtung aber im Lichte des EuGH-Urteils gegen die Vorratsdatenspeicherung jedoch "relativiert".

Nach Kenntnis des Innenressorts verfügt in Europa derzeit Großbritannien bereits über ein nationales System zum PNR-Auswerten, in Frankreich, Spanien, Finnland, Italien und Lettland seien vergleichbare Lösungen im Aufbau. Die Kommission unterstützt derlei nationale Alleingänge finanziell mit vielen Millionen, obwohl ein Plan zum Schaffen eines europäischen Fluggastdatensystems auf Eis liegt. Das Innenministerium betont, dass ein gemeinsames Vorgehen "grundsätzlich einen Mehrwert" bringen könne. Brüssel habe daher an die betreffenden Mitgliedsstaaten appelliert, "bereits jetzt auf die Interoperabilität" zu achten.

Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko warnt, dass die Kommission und der EU-Rat immer weiter Fakten schafften und die parlamentarischen Gremien Europas und einzelner Unionsstaaten so aushebelten. Es entstünden "neue, riesige Vorratsdatenspeicherungen", über die Polizeien und Geheimdienste "alles verarbeiten, was bei den Fluggesellschaften gesammelt wird". Die Bundesregierung müsse sich auf EU-Ebene für die Abrüstung entsprechender Verträge einsetzen. (axk)