Internet-Pionier Jaron Lanier erhält Friedenspreis des Buchhandels

Erstmals erhält mit Jaron Lanier ein Repräsentant des digitalen Zeitalters den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.

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Der US-amerikanische Internetpionier, Musiker und Schriftsteller Jaron Lanier (54) erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Dies teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Donnerstag in Frankfurt mit. Er will damit einen Pionier der digitalen Welt ehren, der erkannt habe, welche Risiken diese für die freie Lebensgestaltung eines jeden Menschen birgt.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, für die Lanier einige Debattenbeiträge beisteuerte, bezeichnet die Ehrung als "Sensation", denn erstmals erhalte ein Repräsentant des digitalen Zeitalters den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Lanier habe als einer der Ersten überhaupt auf den zutiefst ambivalenten, für Missbrauch anfälligen Charakter hingewiesen, der die schöne neue Welt auszeichnet.

Ähnlich schreibt es auch der Börsenverein: Lanier habe eindringlich auf die Gefahren hingewiesen, "die unserer offenen Gesellschaft drohen, wenn ihr die Macht der Gestaltung entzogen wird und wenn Menschen, trotz eines Gewinns an Vielfalt und Freiheit, auf digitale Kategorien reduziert werden". Sein jüngstes Werk "Wem gehört die Zukunft" werde zu einem Appell, wachsam gegenüber Unfreiheit, Missbrauch und Überwachung zu sein und der digitalen Welt Strukturen vorzugeben, die die Rechte des Individuums beachten und die demokratische Teilhabe aller fördern.

Seit dem Jahr 2000 setze sich Jaron Lanier verstärkt mit der immer größer werdenden Diskrepanz zwischen Mensch und Maschine, Wirklichkeit und virtueller Realität sowie der finanziellen Nutzbarmachung gegenüber dem Missbrauch von Wissen und Daten auseinander, heißt es weiter in der Begründung. Lanier trete dafür ein, die humanen Werte zu bewahren, indem er fordert, dem schöpferischen Beitrag des Einzelnen im Internet einen nachhaltigen und ökonomischen Wert zu sichern.

Lanier gilt als der Vater des Begriffs der "virtuellen Realität" und war selbst als Unternehmer und leitender Forscher an zahlreichen Entwicklungen beteiligt. Derzeit betreut er als führender Wissenschaftler ein Projekt mehrerer Universitäten zur Erforschung des "Internets 2" und arbeitet als Forscher für Microsoft Research.

In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung plädierte Lanier in der Auseinandersetzung zwischen den Verlagen und Google dafür, "auf Melodramatik zu verzichten". "Die Leute bei Google sind keine Bösewichte. Meine Freunde und ich haben Google einmal ein Start-up verkauft, ich bin dort nur aufgeschlossenen und sympathischen Menschen begegnet. Auch manche Google-Kritiker stoßen nicht überall auf Zustimmung."

Lanier betreibe seine Forschung bei Microsoft Research, nicht zuletzt deswegen, weil Google nicht gewollt habe, dass er sich frei in der Öffentlichkeit äußere. Bei Microsoft sei es ihm möglich. Trotzdem bezeichneten ihn viele Leute vor allem in der Open-Source-Welt, als "bad guy", weil er bereit sei, mit dem "alten Erzfeind" zusammenzuarbeiten. Es sei an der Zeit, sich von diesen Klischees zu verabschieden. "Microsoft kann in vielen Punkten kritisiert werden, die auch für Google gelten, aber die Antipathie zwischen den beiden Unternehmen sollte keinen Einfluss auf unsere Einstellung zu Google oder zu dem großen Ganzen haben."

Der Preis soll am 12. Oktober zur Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche überreicht werden. (anw)