"Cut for Bieber": Jugendschützer besorgt über Online-Aufrufe zur Selbstverletzung

Die Zahl der von jugendschutz.net bearbeiteten Beiträge, die etwa zum "Ritzen für Justin Bieber" oder Suizid auffordern, hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Insgesamt verzeichnete die Länderstelle etwa 8000 Verstöße.

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Aufrufe zur Selbstverletzung im Internet bereiten Jugendschützern verstärkt Sorgen. Die Zahl der Beiträge, die solches Verhalten etwa unter dem Motto "Cut for Bieber" auf Facebook oder auf Twitter mit den Tags #hungern oder #exen gerade unter Kindern und Jugendlichen glorifizierten oder gar die Selbsttötung propagierten, habe sich laut der Statistik von jugendschutz.net 2013 verdoppelt, warnte Siegfried Schneider, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) am Donnerstag. Viele solche Aufrufe würden anonym ins Netz gestellt, so dass die Plattformbetreiber hier selbst stärkere Schutzvorkehrungen in den Blick nehmen müssten.

"Cut for Bieber": Der Popstar soll Ritzfotos seiner Anhänger zeitweise sogar auf seinen Online-Profilen öffentlich gemacht haben.

(Bild: Ben Watts)

"Mit dem Thema Selbstgefährdung beschäftigen wir uns verstärkt seit etwa 2007, vor allem im Bereich der Propagierung von Essstörungen", erläuterte Friedemann Schindler von jugendschutz.net zur Präsentation des Jahresberichts 2013. Irgendwann sei das Ritzen dazugekommen, auch Suizid habe einen neuen Stellenwert eingenommen. Ursprünglich seien derlei Verhaltensweisen "auf Insider-Blogs und -Foren kommuniziert" worden. Mittlerweile geschehe dies vermehrt über große Plattformen, die ganz andere Nutzungszahlen erreichten. Dies bringe das Risiko mit sich, dass immer mehr Kinder und Jugendliche viral angefixt würden.

Als "ganz problematisch" bezeichnete Schindler diesen Trend in Zusammenhang mit Wettbewerben etwa zum exzessiven Biertrinken oder für "Selfies im Gleisbett", in denen Mitglieder sozialer Netzwerke Freunde quasi für derlei "Mutproben" nominierten. Popidol Justin Bieber habe Ritzfotos seiner Anhänger zeitweise sogar auf seinen Profilen in Online-Gemeinschaften selbst veröffentlicht, was Nachahmer zusätzlich angestachelt habe.

Insgesamt sichtete jugendschutz.net laut Schindler im vergangenen Jahr 1400 Fälle, von denen 350 unzulässig gewesen seien. Die Entscheidung der Jugendschutzrelevanz sei dabei sehr schwierig, räumte er ein. Inzwischen seien aber zusammen mit der KJM klare Kriterien dafür entwickelt worden. Die Reaktionen auf Eingaben in diesem Bereich fielen unterschiedlich aus. "Bei schwer jugendgefährdenden Inhalten reagieren die Plattformbetreiber meist", erklärte der Kontrolleur. Bei entwicklungsbeeinträchtigenden Seiten seien vor allem die internationalen Netzwerke "zurückhaltender".

Bei Twitter, Ask.fm oder Tumblr sei es derzeit generell noch schwieriger, "Verstöße rauszukriegen" als bei den arrivierten Betreibern Facebook und Google, schilderte Schindler. Die Institution versuche, auch mit den Nachkömmlingen bessere "Schnittstellen" hinzubekommen. Auch Jugendschutzprogramme filterten gerade Verweise auf Selbstgefährdungen, die einen großen Nachahmungseffekt hätten, noch unzureichend aus.

Alles in allem hat jugendschutz.net 2013 rund 10.000 Hinweise auf jugendschutzgefährdende Inhalte im Netz bekommen, was sich in etwa auf dem Niveau der Vorjahre bewegt. Im Ganzen schauten sich die Prüfer über 30.000 Online-Angebote genauer an, wobei sei etwa 8000 Rechtsverletzungen registrierten. Vier Fünftel davon befanden sich im Ausland.

Die häufigsten Kategorien waren 2013 wie im Vorjahr ohne Schutzvorkehrungen zugängliche Pornographie mit 34 Prozent, sexueller Kindesmissbrauch (28 Prozent) und extremistische Inhalte (22 Prozent). Rund 70 Fälle gab jugendschutz.net an die KJM ab, die dazu Aufsichtsverfahren einleitete. Vielfach gelinge es ohne Beschreiten des Rechtswegs, "Sachen zu klären". (axk)