Interview mit Debians Projektleiter Steve McIntyre

Heise open spricht mit Debian-Projektleiter Steve McIntyre über den Release-Zyklus, die Zielgruppe von Debian und über die Zusammenarbeit innerhalb der Distribution und mit anderen Projekten.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Alexandra Kleijn
Inhaltsverzeichnis

Steve McIntyre

(Bild: http://www.einval.com)

heise open: Steve, stell dich doch bitte in ein paar Sätzen vor. Was machst du und wie bist du zu Debian gekommen?

Steve McIntyre Ich bin 34 Jahre alt und lebe in Cambridge in England. Nach meinem Studium der Ingenieurwissenschaften an der Uni hier habe ich mir hier einen Job gesucht, weil es mir in Cambridge einfach gut gefällt. Ich arbeite als Software-Entwickler für Amino Communications und meine Freizeit widme ich Debian. Ich habe noch keine Familie, dafür ein Haus voller Computer ;-)

Mit freier Software kam ich 1993, in der Anfangszeit meines Studiums, in Berührung und ich fand es toll. Meine erste GNU/Linux-Distribution war Slackware. Ein paar Jahre später machten Studienfreunde mich auf Debian aufmerksam. Ich installierte das System und fing eigentlich sofort an, mitzuarbeiten. Seitdem bin ich dabei.

heise open: Lenny, Debian GNU/Linux 5.0, wurde Mitte Februar freigegeben. Debian hat eine Tradition von sehr langen Release-Zyklen, wenn man das mit anderen Distributionen vergleicht. "Release when ready" ist das Motto. Wird sich das in nächster Zukunft ändern?

Steve McIntyre Gewissermaßen hat sich dieses Prinzip bereits geändert. Früher nannten wir gar keine potentiellen Release-Datums. Wir gaben neue Versionen einfach frei, wenn wir bestimmte Ziele erreicht hatten, egal wie lange das dauerte. Für die beiden letzten Release-Zyklen haben wir versucht, ein Zeitfenster zu setzen (18 bis 24 Monate nach dem letzten Release) mit einigen Zielen, die wir bis dahin erreichen wollten. In beiden Fällen, sowohl bei Etch als auch bei Lenny, hat das geklappt. Sie erschienen jeweils nach 22 Monaten. Natürlich wäre es schön, etwas mehr in die Nähe der 18 Monate zu kommen, aber zu garantieren, dass das gelingt, ist schwierig. Wir arbeiten ja alle ehrenamtlich an dem Projekt.

Die Zeit zwischen den Releases, also die anderthalb bis zwei Jahre, ist einfach ein Kompromiss. Sie ist kurz genug, dass die Leute Debian auf ihrer Hardware installieren und benutzen können. Dabei helfen die die "halben" Updates mit einem neuen Kernel und mit aktuellen Grafiktreibern. Andererseits sind 18 bis 24 Monate für Anwender, die Debian auf ihrem Server installieren wollen und ihr System nicht ständig auf eine neue Version aktualisieren möchten, auch lang genug, denke ich. Häufigere Releases über den gleichen Zeitraum zu unterstützen wäre für uns wegen der vielen Arbeit nicht wirklich machbar.

Eines wird sich allerdings nicht ändern: Wenn sich größere Probleme ergeben, die bedeuten, dass wir Bedenken bei einem angepeilten Release-Termin haben, dann werden wir die neue Version nicht veröffentlichen, bevor wir die Probleme in den Griff bekommen haben.

heise open: Für wen ist Debian? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe?

Steve McIntyre Das ist einfach: für alle! :-) Leute haben Debian auf allen möglichen Systemen am Laufen: Auf Smartphones und anderen Embedded-Geräten, auf Desktops und Laptops, auf Webservern und Fileservern und auf Rechen-Clustern für wissenschaftliche Berechnungen. Der aktuelle Debian-Installer ist einfach zu benutzen und dabei flexibel und leistungsfähig. Die enorme Menge an Paketen bedeutet zudem, dass fast jedes Stück Software, das ein Benutzer einsetzen möchte, als Debian-Paket vorliegt und sich also ganz leicht installieren lässt.

heise open: Ist es für Debian als Distribution ohne eine Firma im Rücken schwieriger, den Weg in Unternehmen zu finden, als zum Beispiel für Red Hat oder Suse?

Steve McIntyre Im Prinzip schon. Es hängt ein bißchen von der Sorte Unternehmen ab. Manche möchten ihre Server gerne mit vorinstalliertem Linux als Komplettsystem bei ihrem Hardware-Lieferanten kaufen. Und tatsächlich haben die meisten großen Hersteller Abkommen mit den großen kommerziellen Linux-Distributoren. Da rein zu kommen, ist für uns schwierig.

Es gibt aber auch genügend Firmen, die selbst Hand anlegen wollen und auch das Know-how dazu besitzen. Viele größere Unternehmen und Behörden haben Debian so installiert, darunter einige Schwergewichte wie die Stadtverwaltung München. Weil unsere Entwicklung offen ist, können sie sehen, was unsere Pläne sind und diese ein Stück weit beinflussen, indem sie sich beteiligen. Support dürfte übrigens kein Problem sein: Eine beträchtliche Anzahl Beratungsfirmen und IT-Consultants sind in der Lage, Unternehmen bei jeglichen Einsatzfragen oder -problemen zu unterstützen.

heise open: Was wäre ein guter Grund, Debian gegenüber zum Beispiel Fedora oder Opensuse auf dem Desktop den Vorzug zu geben?

Steve McIntyre Von allen Distributionen hat Debian das größte Entwicklerteam, was uns einige wichtige Vorteile bringt. Wir haben mehr Programmpakete in unseren Repositories, bieten also mehr Software an, und können (im Prinzip) besseren Support dafür leisten als die anderen. Wenn es jedoch um Standardanwendungen geht, also um die Sachen, die fast alle Anwender einsetzen, nehmen sich die verschiedenen Distributionen nicht viel.

Manche Desktop-Anwender mögen es, mit den allerneuesten Versionen von allen möglichen Anwendungen herumzuspielen. Mit unseren stabilen Releases geht es uns aber in erster Linie darum, den Leuten zuverlässige und aufeinander abgestimmte Pakete anzubieten, die auch nach längerer Zeit noch funktionieren. Das heißt aber nicht, dass wir keine aktuelle Software anbieten. In den Testing- und Unstable-Repositories findet man alles, was das Herz begehrt. Dadurch haben Debian-Anwender also noch mehr Auswahl.