Neue Versionen von GPL und LGPL

Nach einem halben Jahr Diskussion hat die FSF den zweiten Entwurf der GPLv3 und den ersten Entwurf einer neuen LGPL3 vorgestellt. Was hat sich geändert und wo herrscht noch Diskussionsbedarf bei den wichtigsten Open-Source-Lizenzen?

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Till Jaeger
  • Dr. Oliver Diedrich
Inhaltsverzeichnis

Die größte Gemeinschaftsarbeit, die jemals an einer Softwarelizenz vorgenommen wurde, trägt erste Früchte. Seitdem die Free Software Foundation (FSF) im Januar einen ersten Diskussionsentwurf für Version 3 der GNU General Public License (GPL) vorgelegt hat, hat die Free Software Foundation (FSF) ein halbes Jahr, drei Konferenzen und über 1000 Änderungsvorschläge später den zweiten Entwurf fertiggestellt. Alle denkbaren juristischen und technischen Aspekte waren in zahlreichen Telefonkonferenzen von drei Komitees und gut einem Dutzend Unterkomitees diskutiert worden, Wünsche vorgetragen und unterschiedliche Rechtsvorstellungen ausgetauscht.

Dass der Mammutprozess auch effektive Ergebnisse zu Tage bringt, zeigt der neue Entwurf. Der Text ist an vielen Stellen vollständig umgekrempelt, enthält neue Ideen und berücksichtigt zahlreiche Anregungen. Letztlich liegt die Entscheidungsgewalt bei den Hauptakteuren in der Free Software Foundation (FSF), nämlich ihrem Gründer Richard Stallman und dessen juristischen Adlatus, Juraprofessor Eben Moglen. Dennoch wurden zahlreiche Kritikpunkte von außen aufgegriffen, und der neue Entwurf zeigt etwas von einem Kompromiss zwischen den Interessen der Entwickler, der Softwarewirtschaft und der Anwender.

Besonders kontrovers diskutierte man die Themen DRM und Softwarepatente. Es verwundert daher nicht, dass sich hier substanzielle Änderungen ergeben haben. So bezieht die Präambel der GPLv3 nicht mehr pauschal gegen "Digital Restriction Management" Position, sondern bezieht sich konkret auf die Unvereinbarkeit von Trusted Computing – also die Beschränkung durch Hardware, neue Software aufzuspielen – mit Freier Software. Das erscheint durchaus sinnvoll, da viele Aspekte von DRM, etwa die Abrechnung bei der Nutzung von Musik oder Filmen, keinen unmittelbaren Bezug zur Nutzung von Freier Software haben. Soll hingegen GPL-Software so mit DRM-Systemen vertrieben werden, dass das DRM die freie Nutzbarkeit der Software im Sinne der GPL beschränkt, so verbietet Ziffer 3 des neuen Entwurfs diesen Vertrieb an sich.

Allerdings enthält der zweite Absatz von Ziffer 3 noch Regelungen mit dem Ziel, die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen zu ermöglichen, die mit Hilfe von Freier Software realisiert werden. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wer ein DRM-System mit Hilfe von GPL-Programmen erstellt, soll gleichzeitig auf das Recht verzichten, die Umgehung der technischen Schutzmaßnahme durch Änderung dieser Software zu verbieten. Hintergrund dieser Klausel sind die Regelungen im DMCA und der europäischen Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft, die rechtlich die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen verbieten. Hier fürchtet die FSF eine Beschneidung der Änderungsfreiheit von Freier Software.

Es ist aber zweifelhaft, ob durch die geplante GPL-Klausel auch wirklich Weiterentwicklungen ermöglicht werden können, die als Umgehung technischer Schutzmaßnahmen anzusehen sind. Denn eine solche Umgehung können nicht die Hersteller der DRM-Systeme verbieten, sondern die Inhaber der Rechte an Musik, Filmen und anderen urheberrechtlich geschützten Werken. Diese verpflichtet die GPL aber nicht, sodass die Klausel ins Leere zu laufen droht. Ob diese Frage auch praktische Relevanz erhält, steht hingegen auf einem anderen Blatt: Es dürfte nicht sehr wahrscheinlich sein, dass die Verwerterindustrie ihre DRM-Systeme in größerem Umfang mit GPL-Programmen realisiert und dabei jedermann den Sourcecode zur Verfügung stellt.

Viel Kritik an den Klauseln zu Softwarepatenten kam aus Reihen der IT-Industrie, die die pauschale Ablehnung ebenso zu weitgehend empfand wie die Regelung einer Patentlizenz für die Nutzer von GPL-Programmen. Der neue Entwurf spricht sich zwar weiterhin gegen Softwarepatente aus, erwähnt aber explizit nur noch "software on general-purpose computers", also Softwarepatente im Bereich von Universalrechnern. Softwarepatente im Rahmen von Steuerungs- und Regelungssystemen, beispielsweise in Kraftfahrzeugen, sind damit offenbar von der Pauschalkritik ausgenommen.

Eine interessante Änderung hat auch Ziffer 11 des GPL-Entwurfs erfahren: Während der erste Entwurf noch vorgesehen hatte, dass die Inhaber von Patentrechten, die ein GPL-Programm vertreiben, eine einfache Patentlizenz an die Nutzer erteilen, so verfolgt der zweite Entwurf ein neues Konzept. Anstatt einer Lizenzierung der Patente ist lediglich ein Verzicht auf die Geltendmachung von Patentrechten vorgesehen. Damit soll den Bedenken Rechnung getragen werden, wonach eine einfache Patentlizenz über die Nutzung des konkreten GPL-Programms hinausgehen könnte und damit übermäßig in die Rechte des Patentinhabers eingreift. Zwar sollen "implizite Lizenzen" (durch das Einfügen von patentiertem Code in eine GPL-Software) von der Regelung unberührt bleiben, aber es ist fraglich, ob neben der konkreten Regelung der Ziffer 11 noch eine stillschweigende Patentlizenz durch die Copyleft-Regelung angenommen werden kann.

Problematisch wird damit jedoch der Fall eines Patentverkaufs. Während eine echte Lizenz solch einen Verkauf "überlebt" und auch gegenüber dem Käufer eines Patents gilt, wirkt ein Verzicht auf die Geltendmachung von Patentrechten nur schuldrechtlich, das heißt der Käufer des Patents wäre nicht mehr an diesen Verzicht gebunden und könnte Patentverletzungen verfolgen. Daher dürfte es um diese Regelung sicherlich noch weitere Diskussionen geben.