Die Woche: Braucht die Welt Open XML?

Mit dem Open Document Format gibt es seit kurzem einen allgemein anerkannten, von der ISO zertifizierten Standard für den Dokumentenaustausch. Dem setzt Microsoft, Hersteller des weltweit meistgebrauchten Office-Pakets, das eigene Open XML entgegen.

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Von
  • Alexandra Kleijn

Letzte Woche verabschiedete das OASIS-Konsortium Version 1.1 des freien Office-Formats OpenDocument. ODF, das im Dezember offiziell als ISO-Standard veröffentlicht wurde, ist im Aufwind. Um so ärgerlicher für Microsoft, dass das eigene Open XML wohl noch einen langen Weg zu gehen hat, bevor es ebenfalls das begehrte Prädikat eines ISO-Standards erlangt.

Das passiert frühestens im August. Nachdem die European Computer Manufacturers Association (ECMA) Open XML als ECMA-Standard 376 abgesegnet hatte, wendete sich auch Microsoft an die ISO. Dort liegt das Format nun zur Ratifizierung vor. Aus 19 ISO-Mitgliedsländern kamen bislang Bedenken und Einsprüche, denen die ECMA bis 28. Februar begegnen will. Sollte die Zeit nicht reichen, die Einwände zu beseitigen, verlängert die ISO die Klärungsperiode noch mal um zwei Monate. Dann folgt ein fünfmonatiges technical review bevor die Abstimmung stattfindet.

Offensichtlich irritiert von der Kritik wetterte Microsoft in einem offenen Brief gegen IBM, das das Redmonder Unternehmen als seinen größten Widersacher sieht. Das Manifest mit dem Titel Interoperability, Choice and Open XML unterstellt Big Blue, eine welweite Kampagne gegen Open XML auf die Beine gestellt zu haben. Auch wenn der IT-Gigant sich bei der ECMA-Abstimmung im Dezember gegen Open XML als Standard ausgesprochen hatte, fällt Microsofts Argumentation für diese Verschwörungstheorie gelinde gesagt recht dürftig aus. Im Vergleich der beiden Standards preisen die Autoren des Artikels das eigene Format naturgemäß als das universalere und funktionsreichere an. ODF sei zudem sehr OpenOffice-lastig. Tatsächlich steht ODF gewissermaßen noch in den Kinderschuhen und wartet Microsofts Open XML mit einer erschlagenden Menge an Elementen und zugehörigen Attributen auf. Ein ansehlicher Teil davon besteht jedoch aus Altlasten, die die Rückwärtskompatibilität mit älteren Office-Dokumenten gewährleisten sollen.

Schaut man sich das Open XML White Paper (PDF-Datei) der ECMA an, so wird klar, dass gerade diese Verzahnung mit den eigenen proprietären Binärformaten im Mittelpunkt steht: "OpenXML was designed from the start to be capable of faithfully representing the pre-existing corpus of word-processing documents, presentations, and spreadsheets that are encoded in binary formats defined by Microsoft Corporation."

Kein Wort verliert Microsoft über Herstellerunabhängigkeit, doch eines der wesentlichen Merkmale eines wahrhaft offenen Standards. Die schiere Komplexität von Open XML macht es anderen Anbietern von Office-Software effektiv unmöglich, die Spezifikation komplett in ihren Dateiformaten zu implementieren. Die Bemühungen konzentrieren sich allerorts auf Konverter. Sie sollen MS-Office-Dokumente sowie VBA-Makros zumindest in OpenOffice zum Laufen bringen.

Ganz anders liest sich da der Auftakt zu Open By Design (PDF-Datei), dem OASIS-Dokument zu ODF: "The OpenDocument Format was designed to be vendor neutral and implementation agnostic. It was designed to be used by as many applications as possible. In order to simplify transformations and to maximize interoperability, the format reuses established standards such as XHTML, SVG, XSL, SMIL, XLink, XForms, MathML, and Dublin Core."

Während ODF von den frühesten Anfängen an als offenes Dateiformat gedacht war, hatte Microsoft anfangs gar nicht vor, das ursprünglich Office Open XML heißende Format offen zu legen. Gesetzesbeschlüsse, wie das in Massachusetts dürften dem Unternehmen den dazu erforderlichen Ruck gegeben haben. Der US-amerikanische Bundesstaat forderte ein offenes Format für den behördlichen Dokumentenaustausch und wurde fündig in ODF.

Microsofts Zauberwort der letzen Zeit heißt Interoperabilität. Wenn die Redmonder Firma es damit ernst meint, warum bekennt sie sich dann nicht zum einem wirklich offenen, herstellerneutralen Dateiformat, statt sich mit aller Macht an ihrer eigenen binären Nachlass zu klammern? Wieso bringt sie nicht ihr Wissen in die Verbesserung von ODF ein? Weil Sie befürchtet, die Adoption und anschließende Erweiterung von ODF um eigene Elemente würde als Paradebeispiel für ihre beliebte Taktik Embrace, Extend, Extinguish gedeutet werden?

Brauchen wir wirklich eine zweite, von einem Hersteller diktierte Spezifikation? Eine, die Anwender zwingt, sich wieder mit Kompatibilitätsfragen auseinanderzusetzen? (Software-)Benutzer wollen nicht zwischen abstrakten Standards entscheiden müssen. Sie wollen Dokumente erstellen in einer Software ihrer Wahl, in der Zuversicht, dass andere diese lesen können. Warum also nicht einfach ein Standard, auf die alle Office-Pakete, inklusive Microsoft Office, aufsetzen? Ein Format, das sich problemlos in egal welcher Bürosoftware öffnen, bearbeiten und speichern lässt? ODF heißt das Format der Zukunft. Open XML ist eine Einbahn-Straße. (akl) (akl)