Sechs Jahre Free Software Foundation Europe

Die FSFE, eine Lobby für freie Software, feiert ihr sechsähriges Bestehen in einer Dekade digitaler Politik, die vom Streit um Intellectual Property, Digital Rights Management und Softwarepatente geprägt ist.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Susanne Schmidt
  • Dr. Oliver Diedrich
Inhaltsverzeichnis

Der "Vorstand" der FSFE

Die (amerikanische) Free Software Foundation existiert bereits seit Mitte der 80er Jahre – zu einer Zeit gegründet, als weder von Linux noch vom WWW die Rede war. Aus dem Ärger über die Zunahme kommerzieller Software-Lizenzen im Unix-Umfeld heraus begründete Richard M. Stallmann 1984 das GNU-Projekt und kurz danach 1985 die Free Software Foundation (FSF) als politische Dachorganisation zur Förderung freier Software. Die FSF steht für die die reine Lehre der freien Software: Grundsätzlich ist nicht von "Open Source" die Rede, sondern von "freier Software" – mit dem allseits bekannten Slogan "free as in freedom, not in free beer".

Untrennbar mit der FSF verbunden ist die GNU General Public Licence (GPL), unter der heute die meisten freien Softwareprojekte stehen. Ihr Kerngedanke ist das Copyleft: Mit Quellcode, der unter der GPL freigegeben ist, darf man im Prinzip alles machen – nur ihn nicht mehr wegschließen. Das Grundprinzip heißt Gegenseitigkeit: Wer eigene Software auf GPL-Software aufbaut, muss sie ebenfalls unter der GPL freigeben und so der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

Die GPL in ihrer jetzigen Version 2 hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und ist in Wortlaut und Reichweite stark vom US-Rechtssystem geprägt. Nichtsdestotrotz haben die letzten Jahre gezeigt, dass die GPL wahrlich eine geschickte Kreation der FSF war. Das zeigt beispielsweise gpl-violations.org mit seiner (bisher) 100-Prozent-Erfolgsquote bei GPL-Verstößen vor deutschen Gerichten.

Seit Anfang der 90er Jahre ergänzen viele Initiativen von Savannah, einer Art GNU-Sourceforge, bis hin zur Creative Commons die weltweite Verbreitung von Open Source und Freier Software, schaffen weitere freie Lizenzen und tragen den Grundgedanken von freier Software und der GPL in völlig neue Bereiche – Design, Wissenschaft, Daten, Kunst. So gesehen, handelt es sich bei der Idee freier Software durchaus um ein Erfolgsmodell.

Mit der weltweiten Verbreitung und der hohen Zahl an Open-Source-Entwicklern in Europa begründet sich der Sinn einer europäischen Organisation, die sich mit der EU-spezifischen Politik und den Folgen des EU-Rechts für Freie Software herumschlägt. Seit 2001 nimmt die FSF Europe (FSFE) diese Aufgabe wahr; sie begreift sich nicht bloß als kleine Schwester der untrennbar mit Stallmann verbundenen FSF, sondern als eigenständige Förderorganisation innerhalb Europas.

Wer politische und wirtschaftliche Argumente für den Einsatz von Open Source sucht, wird von beiden Free Software Foundations üppig bedient: einmal im plakativen US-amerikanischen Politikstil, der vielen als zu polar erscheint, und einmal an die politische Kultur Europas angepasst. Ein bisschen stolz ist sie schon, die FSFE, auf die europäischen Errungenschaften zu Open Source und sieht Europa denn auch als eine besonders starke Region auf der Landkarte Freier Software.

So begründet die FSFE ihre weitgehende Autonomie von der FSF in den USA denn auch mit den spezifischen europäischen Gegebenheiten und betont die Notwendigkeit für eine kulturelle Verwurzelung in der jeweiligen Region. Dafür liefert die FSFE Jahr für Jahr viel Material pro freie Software in verschiedenen Sprachen.

Für kleinere freie Softwareprojekte, die sich nicht mit der Durchsetzung von Lizenzrechten herumschlagen wollen, bietet die FSFE einen interessanten Service an: Das FLA – Fiduciary Licence Agreement – ist ein Modell, bei dem die FSFE als Treuhänder für ein Softwareprojekt fungiert. Das funktioniert so: Eine Gruppe oder einzelne Entwickler wählen zwischen der GPL oder einer anderen nach FSF-Maßstäben freien Lizenz für ihr Projekt und setzen die FSFE als Treuhänder ein. Im Fall von Rechtsstreitigkeiten ist dann die FSFE der Ansprechpartner.

Dazu müssen sich Anwärter einem Bewertungsdurchlauf unterziehen: Wie wichtig ist das Projekt? Wie risikoreich sind seine rechtlichen Implikationen? Wie klar ist die bisherige Lizenzgeschichte? Dies soll sicher stellen, dass Entwickler sich auf ihr Projekt konzentrieren können und die FSFE im Zweifelsfall als juristischer Berater und Puffer auftritt.