Sechs Jahre Free Software Foundation Europe

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Der Schwerpunkt der Arbeit der FSFE liegt weniger – wie derzeit bei der FSF in den USA – auf der hitzigen und komplizierten Diskussion um die Patent- und DRM-Paragraphen der anstehenden GPL 3, die in den USA zwischen Stallmann, Eben Moglen und vielen Linux-Entwicklern ausgefochten wird. Natürlich befürwortet die FSFE die GPL 3, erklärt Presssesprecher Joachim Jakobs. Dass sich Chef-Linuxer Linus Torvalds gegen die GPL 3 ausgesprochen hat, findet er schade und weist darauf hin, dass andere Entwickler die GPL 3 gutheißen – gerade aufgrund der DRM- und Patent-Abschnitte.

Stärker engagiert sich die europäische Schwester der FSF in den Diskussionen um geistiges Eigentum im Rahmen der WIPO (World Intellectual Property Organization). Die WIPO ist für die EU deswegen bedeutsam, weil die Europäische Union das WIPO-Abkommen WCT (WIPO Copyright Treaty) unterzeichnet hat und damit der Einfluss des US-Copyright-Modells indirekt weiter reichen wird, als dies vielen Menschen – auch Open Source-Entwicklern – heute bewusst ist.

Die EU hat den WCT-Vertrag 2001 als europäische Direktive zum Copyright ratifiziert und damit die Mitgliedstaaten zur Umsetzung angewiesen. Seither existieren in den verschiedenen EU-Staaten mehr oder weniger leidenschaftliche Diskussionen über die konkrete Umsetzung dieser Direktive. EU-Direktiven müssen von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden, lediglich die Ausgestaltung ist dem Mitgliedsland selbst überlassen. Zuletzt hatte dies 2006 zu dem recht spektakulären Versuch in Frankreich geführt, eine DRM-ablehnende Interpretation der Direktive in französisches Recht umzusetzen.

Seit Oracles Linux-Plänen, vor allem aber Novells Patent-Stillhalteabkommen mit Microsoft und Steve Ballmers Ansage, Kunden Novells Suse Linux zu offerieren, wenn sie darauf insistieren, dürfte Linux und freie Software endgültig den Spielregeln des Big Business der IT-Welt unterliegen. Die FSFE sieht darin (nicht ganz überraschend) einen "Angriff auf kommerzielle freie Software" und als "Zahlen von Schutzgeld", um weiter unbehelligt freie Software ausliefern zu dürfen. Langfristig, so Jakobs, habe sich Novell damit keinen Gefallen getan hat. Die Rechtssicherheit, die sich laut Novell aus dem Abkommen für Entwickler von freier Software ergeben soll, findet er "wenig tröstlich".

Natürlich ist die FSFE außerdem für den "richtigen Geschmack" der Software-Freiheit zuständig und engagiert sich gemeinsam mit Organisationen wie FFII gegen Software-Patente und aktuell insbesondere gegen DRM. Die FSFE sieht DRM als eine Kontrolltechnik und folgt denn auch dem durch die FSF geprägten Terminus des Digital Restriction Managements: "Digitales Restriktions-Management lässt sich umschreiben als eine Situation, in der ein Computer die Wünsche seines Besitzers ignoriert, um den Interessen einer dritten Partei zu entsprechen, deren Regeln keiner demokratischen Kontrolle unterliegen.", so die Einschätzung der FSFE. Die von DRM-Befürwortern behauptete Wahlfreiheit, sich für oder gegen ein DRM-behaftetes Produkt zu entscheiden, hält man "in vielerlei Hinsicht für einen Mythos."

Dieser Schwerpunkt erntet durchaus Kritik: Warum sich gegen TiVo-DRM und gegen iTunes-DRM engagieren, wenn man Zeit und Geld doch auch in die Entwicklung von freien Inhalten als Alternativen stecken könnte, sodass existierende Patente und unfreie Inhalte schlicht überflüssig werden? Ein Projekt wie Freetype (eine freie TrueType-Font-Bibliothek) hat in mühevoller Kleinarbeit schließlich soviel Code entwickelt, dass – Apple-Patente im Bereich TrueType hin oder her – ein freies, verbessertes TrueType-Rendering möglich ist. An solchen Punkten scheiden sich die Geister: Ohne Software-Patente müsste sich niemand dieser Mühe unterziehen; so erscheint es vielen als sinnvoller, sich gegen Software-Patente zu engagieren – auch wenn sie in vielen Staaten ein nicht mehr wegzudiskutierender Fakt sind.

In welcher Form ein Engagement für Open Source stattfindet: Die zähen politischen Prozesse in weltweiten Organsationen – sei es der UN-Gipfel WSIS oder die WIPO – zeigen, dass freie Software nicht einfach nur den Sourcecode und ein paar dicke FTP-Server braucht, sondern eine politische und insbesondere rechtliche Vertretung, die Entwicklern gestattet, sich auf guten Code und nicht auf gute Argumente vor Gericht zu konzentrieren. Dafür darf man der Free Software Foundation Europe und ihren ehrenamtlichen Fellows viel Energie zum weiteren Engagement wünschen. (odi) (odi)