Die Woche: Es lebe der Unterschied!
Linuxer preisen die Vielfalt der Open-Source-Welt, die alle Geschmäcker bedient, gerne als Vorzug. Den Hardware-Herstellern macht sie allerdings das Leben schwer.
Linuxer sind häufig Individualisten, das ist nichts Neues. Es darf daher nicht verwundern, dass es solche auch unter den Ausstellern im Linux-Park der diesjährigen CeBIT gibt. Früher erkannte man schon an der allgegenwärtigen gelben Farbe, ob an den Trennwänden, den Schildern über den Ständen oder den beleuchteten gelben Dachkonstruktionen, dass man sich im Reich des Pinguins befand. In diesem Jahr dominiert hingegen die Corporate Identity: Red Hat hat seinen Stand knallig rot drapiert, Collax präsentiert sich in leuchtendem Blau, die übrigen Firmen liegen irgendwo dazwischen. Wer genau hinschaut, entdeckt hier und da gelbe Teller über den Eckpfeilern mancher Stände – das ist so ziemlich alles, was von der gemeinsamen Außendarstellung des Linux-Parks in den vergangenen Jahren übriggeblieben ist.
Das ist symptomatisch für die derzeitige Wirkung von Linux auf Außenstehende. Nachdem die Linuxer Dell seit langem mit der Forderung nach Linux auf den Desktops und Notebooks in den Ohren lagen, gab der Hersteller nach und will nun nicht nur die Server mit vorinstalliertem Linux ausliefern. Doch welche der vielen Distributionen soll es sein? Eine mit kommerziellem Support, oder lieber eine freie Variante der großen Zwei, Suse und Red Hat? Und was ist mit Ubuntu? Wer die Wahl hat, hat eben auch die Qual, zu unterschiedlich sind die Distributionen, als dass ein Hersteller einfach irgendeine nehmen könnte. Dell reicht das Problem an die Community weiter und lässt sie entscheiden, was sie zukünftig kaufen will.
Auf andere Hersteller wirkt die schier unüberschaubare Zahl an Linux-Distributionen gleich so abschreckend, dass sie die Chance gar nicht erkennen, sich die beste Lösung aus einem breitgefächerten Angebot herauszusuchen. Bei Windows ist die Entscheidung deutlich leichter, es gibt eben nur ein Vista in ein paar Ausstattungsvarianten. Aber Linux ist nicht gleich Linux, und jeder Linuxer hat seine ganz eigenen Vorstellungen, wie sein Rechner konfiguriert sein soll. Da genügt ein vorinstalliertes OpenSuse 10.2 nicht, zufrieden ist er erst, wenn er auch Debian Etch oder Fedora Core 6 bestellen kann – natürlich mit funktionierender 3D-Beschleunigung, Sound und WLAN. Aus der Sicht eines Herstellers, der pro PC nur wenige Euro verdient, ist die Vielfalt ein sehr teurer Spaß.
Gäbe es eine gemeinsame Plattform, eine Art Basis-Linux, bei dem jeder Linuxer seine persönliche Farb- und Geschmacksvariante mit ein paar Mausklicks auswählen könnte, wäre den Herstellern schon viel geholfen. Die Linux Standard Base (LSB) kümmert sich genau um solche Vereinheitlichungen zwischen den Distributionen, liefert derzeit aber nicht viel mehr als eine einheitliche Umgebung für Serveranwendungen. Und der erste Feldversuch mit einem Basis-Linux und distributionsspezifischem Aufsatz scheiterte schon 2004 mit United Linux.
Dabei käme eine einheitliche Basis auch den Hardware-Herstellern sehr entgegen. Sie bräuchten sich nicht mehr mit den Eigenheiten der diversen Distributionen herumzuschlagen, sondern könnten wie für Windows ein einziges Linux-Treiberpaket bereitstellen. Momentan ist die Situation so, dass die wenigen Hardware-Hersteller, die eigene Linux-Treiber für ihre Produkte anbieten, eine Auswahl an bekannteren Distributionen bedienen. Der einfachste Ausweg – die Veröffentlichung der Treiber-Quellen unter GPL zwecks Integration in den Linux-Kernel – kommt aus lizenzrechtlichen Gründen und aus Angst, die Konkurrenz könnte einen Vorteil erlangen, häufig nicht in Frage. Die besten Beispiele sind dafür die proprietären Grafiktreiber von Nvidia und ATI, die spezielle Kernel-Module für den direkten Zugriff auf die Grafikprozessoren mitbringen.
Und so wird der Anwender wohl noch eine ganze Zeitlang damit leben müssen, dass nicht jeder Hardware-Hersteller das eigene Lieblings-Linux unterstützt, dass die Installation eines Treibers mit mächtigen Verrenkungen verbunden sein kann und dass sich nicht jedes Gerät unter Linux verwenden lässt. Das ist eben der Preis der Vielfalt. (mid) (odi)