Die Woche: Das letzte Debian?

Debian GNU/Linux 4.0 (Etch) ist – wie üblich verspätet – fertig geworden, aber die Entwicklung war begleitet von Diskussionen und Querelen innerhalb der Community. Wo entwickelt sich das Debian-Projekt hin?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Es ist geschafft: Debian GNU/Linux 4.0 (für Eingeweihte: Etch) ist am Osterwochenende erschienen (siehe auch Debian 4.0: Erster Test) – mit (für Debian rekordverdächtig schnellen) "nur" vier Monaten Verspätung gegenüber der ursprünglichen Planung . Die Bezahlung der beiden Release-Manager Andreas Barth und Steve Langasek durch das Projekt Dunc-Tank, gegründet letztes Jahr unter anderem von dem damaligen Debian Project Leader Anthony Towns mit dem Ziel, die pünktliche Veröffentlichung von Etch sicherzustellen, hat da auch nicht geholfen.

Im Gegenteil: Mehrere der unbezahlten Entwickler reagierten auf die Bezahlung der beiden Release-Manager verärgert – bis hin zu der öffentlichen Ankündigung, ihre Prioritäten neu zu justieren. Dass Release-Manager Andreas Barth im Dezember (als klar wurde, dass der angepeilte Veröffentlichungstermin ordentlich verfehlt werden würde) öffentlich in seinem Blog jammerte, dass "Leute, die bislang gute Arbeit gemacht haben, nun ihr Engagement drastisch reduziert haben" und von "kindischem Verhalten" sprach, hat die Debatten sicher nicht gerade entspannt.

Aus diesen Streitereien herauszulesen, dass die Debian-Gemeinde heillos zerstritten sei (wie es einige Medien taten), ist aber sicher übertrieben: Man pflegt hier nun mal eine recht offene Diskussionskultur, und bei rund 2000 aktiven Entwicklern bleiben Uneinigkeiten nicht aus.

Dass trotzdem nicht alles in bester Ordnung ist im Debian-Projekt, zeigt sich beispielsweise daran, dass eine Reihe von Entwicklern zu Ubuntu abgewandert sind – sicherlich auch, weil es dort schneller voran geht, weil mutiger veröffentlicht und weniger diskutiert wird. Und auch das "Wahlprogramm" des vor wenigen Tagen gekürten neuen Debian Project Leader (DPL), Sam Hocevar, schlägt kritische Töne an. Die Dynamik bei Debian gehe zurück, schreibt er. Er sehe Enthuasismus, aber auch Konservativismus und Frustration – und malt bereits in den ersten Absätzen seines Programms das Gespenst des Untergangs von Debian in seiner jetzigen Form an die Wand.

Hocevars Ziele als DPL: Debian müsse wieder Spaß machen, wieder an Sex-Appeal gewinnen, wieder die beste Linux-Distribution werden – eben mehr sein als bloß die Grundlage cooler Debian-basierter Distributionen wie Ubuntu. Dass er mit seinem Programm (in dem er auch etliche konkrete Probleme benennt und Lösungsvorschläge entwickelt) die Wahl gewonnen hat, lässt sich durchaus als Ausdruck eines gewissen Unbehagens mit dem aktuellen Zustand des Debian-Projekts bei vielen Entwicklern deuten.

Auch ein neuer Projektleiter kann Debian nicht umkrempeln, aber noch ist das Projekt aktiv. Das nächste Release namens Lenny ist bereits in Arbeit, und alle acht Kandidaten für den Job des DPL weisen der Fertigstellung von Lenny eine hohe Priorität zu. Wenn die Umsetzung so klappt wie geplant, wird Etch also sicher nicht die letzte Debian-Release bleiben. (odi) (odi)