Die Woche: Die GPLv3 ist da - und jetzt? [Update]

Mit verhaltenem Optimismus hat die Open-Source-Welt die neue GPLv3 empfangen. Ob sie sich durchsetzen wird, muss sich zeigen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Alexandra Kleijn

Freitag, der 29. Juni war ein besonderer Tag. Nicht nur gab Apple das Signal für den Verkaufsstart des iPhone – für die Open-Source-Welt wichtiger war die Veröffentlichung der finalen Version der GNU General Public License Version 3 (GPLv3). Anderthalb Jahre hat die Free Software Foundation (FSF) unter der Leitung von Richard Stallman mit ihren Anwälten und unter Beteiligung der Öffentlichkeit an dem designierten Nachfolger der GPLv2 gearbeitet. Insgesamt vier – zum Teil heftig umstrittene – Entwürfe erblickten in der Zeit das Licht der Welt.

Nun ist es also so weit: Die finale GPLv3 ist da. Für Anwender, die eine Software einfach nur benutzen wollen, bleibt alles beim alten. Entwickler und Firmen, die Open-Source-Software vertreiben, sehen sich jedoch mit Umstellungs- und Kompatibilitätsfragen konfrontiert. Wie wird die Neufassung der GPLv2, die seit 16 Jahren Bestand hat und zur wichtigsten Open-Source-Lizenz geworden ist, empfangen?

Die FSF selbst spricht von einem großen Anklang in der Community und zitiert dabei Jeremy Allison, einen der Hauptentwickler des freien File- und Printservers Samba. "Eine große Verbesserung gegenüber der alten Version", so Allison. Und "eine notwendige Aktualisierung, um den neuen Bedrohungen für freie Software seit dem Erscheinen der GPLv2 die Stirn zu bieten".

Tatsächlich hat sich die Art und Weise, wie Software entwickelt und vertrieben wird, seit 1991 stark verändert. Software-Patente spielten damals kaum eine Rolle, von Digital Rights Management (DRM) hatte noch niemand gehört und auch Software as a Service (SaaS) musste erst noch erfunden werden, als Stallman die GPLv2 veröffentlichte. Genau solche Themen adressiert die neue Version. Außerdem berücksichtigt sie – mehr als ihre Vorgängerin – internationales Recht.

Freilich nimmt das Samba-Projekt bislang in der Diskussion um die GPLv3 eine Sonderstellung ein. Bereits Ende 2006 bekannte sich das Entwickler-Team zur GPL-Neuauflage und kündigte an, den Quellcode der Windows-Server-Alternative unter Version 3 der GPL zu stellen, sobald diese erscheint.

So eilig hat es die große Mehrzahl der Projekte und Open-Source-Firmen nicht. Unternehmen wie IBM, Red Hat und Sun äußern sich vorsichtig optimistisch, aber wenig konkret zur neuen Lizenz. Datenbank-Hersteller MySQL hatte Anfang des Jahres seine Lizenz vorsichtshalber von "GPLv2 or later" auf "GPLv2 only" geändert, um beim Erscheinen der GPLv3 nicht vor vollendeten Tatsachen zu stehen.

Entwickler, die ihre Software unter die GPL stellen, haben nämlich grundsätzlich die Wahl zwischen den Varianten "nur GPL Version x" und "GPL Version x oder eine spätere Version". Viel GPL-Software steht aktuell unter "GPLv2 or later". Jeder Nutzer kann diese Software nehmen und selbst entscheiden, ob er sie unter der GPLv2 oder 3 lizenziert. Steht sie hingegen explizit unter GPLv2, ist das nicht möglich.

Obwohl GPLv2- und GPLv3-Programme friedlich nebenander koexistieren können, macht die Copyleft-Klausel in den beiden Lizenzen GPLv2-only und GPLv3 inkompatibel zueinander. GPLv2-only-Code darf also nicht mit GPLv3-Quelltexten zu einem neuen Programm kombiniert werden. Bei einer Mischung aus "GPLv2-or-later"-Software und GPLv3-Code steht das Ergebnis automatisch unter der GPLv3.

Interessant ist, welchen Kurs Sun, selbsternannter Vorreiter in Sachen Open Source, jetzt einschlagen wird. Der hauseigene Open-Source-Evangelist Simon Phipps nennt es in seinem Blog wahrscheinlich, dass sein Unternehmen auf die neue Lizenz umsteigt. Für welche Software genau und in welchem Zeitrahmen bleibt allerdings vorerst ein Geheimnis. Sun liebäugelt jedoch bereits seit geraumer Zeit mit der GPLv3 für OpenSolaris.

Fraglich bleibt indes, ob der Linux-Kernel unter die GPLv3 gestellt wird. Auch wenn Linux-Schöpfer Linus Torvalds inzwischen nicht mehr so vehement gegen die Neufassung argumentiert wie noch bei den ersten Entwürfen, hält er GPLv2 nach wie vor für die bessere Lizenz und sieht keinen Grund für einen Wechsel. Allenfalls die Lizenzierung von OpenSolaris und vor allem des Filesystems ZFS könnte ihn dazu bewegen, seine Meinung zu ändern.

Die FSF selbst hat fürs erste fünfzehn GNU-Programme – darunter das Komprimiertool tar – unter die GPLv3 gestellt. Stallmans eigene Entwicklung, der ehrwürdige Editor Emacs, fehlt noch in der Auflistung. Der Rest der Sammlung – und damit auch die auf Linux-Systemen unentbehrliche GNU Compiler Collection (GCC) – soll in den nächsten Monaten folgen.

[Update]

Microsoft hat den Gedanken weit von sich gewiesen, durch die neue GPL-Version rechtlich zu irgendetwas verpflichtet zu sein. Die GPLv3 verlangt nämlich, dass jeder, der GPLv3-Software vertreibt, sämtlichen Anwendern der Software (das heißt bei freier Software: potenziell jedermann) eine Lizenz an allen betroffenen eigenen Patenten einräumt. Offenbar befürchtet das Unternehmen, durch die Coupons für Suse Linux, die man im Rahmen des Abkommens mit Novell verteilt, als Linux-Distributor klassifiziert zu werden, wodurch alle eigenen Patentansprüche gegen Linux hinfällig würden. Gegen diese Einschätzung, die Richard M. Stallman bereits angedeutet hat, setzt man sich vorsorglich zur Wehr – auch wenn das Unternehmen Kunden, die Suse Linux über Microsoft bezogen haben, erst einmal keine Updates auf GPLv3-Software zukommen lassen will.

Microsoft will sich so offenbar aller Verwantwortung für mögliche Probleme mit der GPLv3 entledigen. Die neue GPL-Version, schimmert zwischen den Zeilen durch, sei alleine ein Problem von Novell. Den schwarzen Peter hat Novell allerdings schon zurückgeschoben und erklärt, dass man keine Probleme mit der neuen GPL-Version habe. Das Unternehmen werde GPLv3-Software in seine Linux-Distribution aufnehmen und unabhängig von der Position Microsofts auch an Kunden ausliefern, die ihre Suse Linux über Microsoft bezogen haben.

Da spricht auch erst mal nichts gegen: Zwar ist die Freistellung von Patentansprüchen, die Microsoft Novell-Kunden im Rahmen des Abkommens garantiert, nicht mit der GPLv3 vereinbar. Allerdings enthält der Patent-Paragraph 11 eine Ausnahme für die Vereinbarung zwischen MS und Novell, da er Abkommen, die vor dem 28.3.2007 geschlossen wurden, ausnimmt. Novell ist in dieser Hinsicht also aus dem Schneider.

Spannend wird es allerdings für die Linux-Distributoren Linspire und Xandros. Beide haben nach dem 28.3. Kooperationen und Patentabkommen mit Microsoft nach dem Muster des Novell-Pakts geschlossen. Die Patentklausel der neuen GPL untersagt solche Abkommen, die einem Hersteller besondere Privilegien beim Vertrieb von GPLv3-Software einräumen: Der Distributor muss dafür Sorge tragen, dass alle Anwender der Software – nicht nur die eigenen Kunden – in den Genuss des Schutzes vor Patentklagen kommen.

Aber werden Linspire und Xandros in Zukunft darauf verzichten müssen, GPLv3-Software in ihre Distributionen aufzunehmen? Den Patentschutz, den Microsoft den Kunden dieser Firmen gewährt, weitet die GPLv3 auf alle Anwender der Software aus. Kann der Distributor das nicht sicherstellen, darf er die GPLv3-Software gar nicht mehr vertreiben.

Mit Erscheinen der GPLv3 ist die Lizenz-Landschaft um einiges komplexer geworden. Ob sie sich im praktischen Einsatz bewähren kann, wird sich zeigen müssen.

(akl)