Die Woche: Microsoft und die GPLv3

Kurz nach Erscheinen der GPLv3 hat Microsoft erklärt, dass sich das Unternehmen an diese Lizenz nicht gebunden fühlt – man fürchtet offenbar, dass dann die aktuellen Patentdrohungen gegen Linux nicht mehr haltbar sind.

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Die neue GPL-Version war gerade eine Woche alt, da kam von Microsoft per Pressemitteilung ein Erklärung, dass man sich an die GPLv3 rechtlich nicht gebunden fühlt. Genauer gesagt: Obwohl das Unternehmen im Rahmen des Abkommens mit Novell Coupons für Suse Linux abgibt, sei man damit nicht den Bestimmungen der GPLv3 unterworfen.

Warum prescht Microsoft hier ohne erkennbare Not vor? An dem Patentabkommen mit Novell aus dem letzten Jahr, in dem die beiden Unternehmen die Kunden des jeweils anderen von Patentforderungen freistellen, kann es nicht liegen. Zwar verbietet die GPLv3 in dem Patent-Paragraphen 11 die so genannte diskriminatorische Lizenzierung von Patenten nur an bestimmte Anwender einer GPLv3-Software; aber das gilt nur für Patentlizenzen, die nach dem 28. März dieses Jahres erteilt wurden.

Es dürfte eine andere Bestimmung des Patent-Paragraphen sein, die Microsoft Sorgen macht: Wer GPLv3-Software verbreitet ("propagate") und einigen Anwendern eine Patentlizenz einräumt (genau gesagt, ihnen garantiert, dass sie nicht wegen Patentverletzung verfolgt werden), muss diese Patentlizenz allen möglichen Anwendern dieser Software einräumen. Eine Reihe (bislang nicht genannter) Microsoft-Patente, die Linux verletzen soll, sind im Moment die bevorzugte Drohkulisse der Redmonder gegen die Betriebssystemkonkurrenz. Diese Strategie würde in sich zusammenbrechen, müsste Microsoft aufgrund des Vertriebsabkommens mit Novell, in dessen Rahmen die Redmonder Coupons für Suse Linux vertreiben, allen Linux-Anwendern einen Schutz vor Patentklagen gewähren.

Mit der GPLv3 haben zwei neue Begriffe Einzug in die beliebteste Open-Source-Lizenz gehalten: Das wenig spezifische "distribute" (verteilen) der GPL2 wurde abgelöst durch "propagate" (verbreiten) und "convey" (übereignen, übertragen). Beide Begriffe sind im Lizenztext eindeutig definiert: "propagate" umfasst jede Copyright-relevante Handlung, also alles, was man beispielsweise mit einer Raubkopie nicht machen darf: sie benutzen, weitergeben, verkaufen. "convey" bezeichnet Vertriebshandlungen, bei denen der Empfänger eine Kopie der Software erhält.

Die GPLv3 enthält diese neuen und eindeutig definierten Begriffe, um zum einen Unklarheiten um den alten Begriff "distribute" auszuräumen. Zum anderen hat man damit einen klugen Schritt in Sachen Internationalisierung getan: Egal, wie das jeweilige Urheberrecht im Detail aussieht, die GPLv3 hat immer maximale Wirkung, da sie jede Form der Verwertung regelt, die das gerade geltende Urheberrecht überhaupt zu regeln erlaubt.

Die Patentregelung, die Microsoft Sorgen machen dürfte, ist an die Verwertungshandlung "propagieren" gebunden. Die Frage, ob Microsoft den Regeln der neuen GPL-Version unterliegt, wenn man mit den Microsoftschen Coupons GPLv3-Software erhalten kann, lässt sich damit einfach beantwortet: Wenn das Verteilen von Coupons, die zum Bezug einer Software berechtigen, bereits urheberrechtlich relevant ist (was rechtlich keineswegs klar ist), dann akzeptieren die Redmonder entweder die Bedingungen der GPLv3 – oder werden zu Raubkopierern, da sie dann Software ohne gültige Lizenz unter die Leute bringen. Wenn die Abgabe der Suse-Linux-Zertifikate keine urheberrechtlich relevante Verwertung von Suse Linux darstellt, hat Microsoft mit der GPLv3 in der Tat nichts am Hut.

Redmond hat seine Position zu dieser Frage deutlich gemacht: Man fühlt sich nicht betroffen. Die FSF hat allerdings schon im Vorfeld der GPLv3-Veröffentlichung angedeutet, dass man Microsoft sehr wohl in der Pflicht sieht. Definitiv klären kann diese Frage wohl nur ein Gerichtsurteil.

Ganz sicher scheint sich Microsoft seiner Einschätzung allerdings nicht zu sein: In der Pressemitteilung zur GPLv3 erklärte das Unternehmen auch, Anwender, die Suse Linux über ein Microsoftsches Linux-Zertifikat bezogen haben, würden zunächst keine Updates auf GPLv3-Software erhalten. Dem hat Novell allerdings postwendend widersprochen: Das Unternehmen will auch diesen Kunden eine komplette Subskription für den Suse Linux Enterprise Server liefern – inklusive Updates auf GPLv3-lizenzierte Programmversionen, die Novell in Suse Linux aufnehmen will, sobald es erforderlich ist.

Auch wenn bislang nur wenige Open-Source-Projekte auf die neue GPL-Version umgestiegen sind: Ihre Zahl wächst. Und mit dem File- und Print-Server Samba ist zumindest eine populäre Software dabei, die über kurz oder lang in einer GPLv3-lizenzierten Version in die Linux-Distributionen einziehen wird. Microsofts Patentdrohungen gegen Linux könnten so zu einem ersten Prüfstein für die neue GPL werden. (odi) (odi)