Die Woche: Offene Quellen
Ein wesentliches Merkmal von Open Source ist, dass der Anwender mit der Software auch die Quelltexte erhält. Aber was kann er damit überhaupt anfangen? Wir haben die Gründer von SugarCRM gefragt.
Nein, hier soll es nicht um Open Source als Entwicklungsmodell gehen. Über die Frage, ob das "Viele Augen sehen mehr"-Prinzip, das frühe und häufige Veröffentlichen des Codes, das Diskutieren in einer Entwickler-Community und das Einbeziehen potenzieller Anwender in den Entwicklungsprozess am Ende bessere Software hervorbringt, ist schon viel gestritten worden. Die Argumente sind bekannt, Eric S. Raymond hat sie bereits vor zehn Jahren in seinem Essay The Cathedral and the Bazaar dargelegt; aber definitive Antworten gibt es bis heute nicht.
Viel interessanter ist die Frage, was Anwender von den offenen Quelltexten und dem Recht, die Quellen zu studieren und zu ändern, haben. In der Theorie bietet Open Source einem Unternehmen die Freiheit, die Software beliebig an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. In der Praxis allerdings liefern die Open-Source-Hersteller und -Distributor fertige Binaries aus, die die meisten Kunden offenbar so einsetzen, wie sie sie erhalten – ohne selbst an den Quelltexten zu fummeln.
Was in der Theorie so großartig klingt – mal eben einen Fehler beheben oder eine fehlende Funktion nachrüsten –, dürfte in der Praxis schon an der Komplexität der Software scheitern. MySQL 5 beispielsweise besteht aus über 700.000 Zeilen C-Code. Wer wollte darin "mal eben" etwas ändern? Und will man bei einer Datenbank im Produktiveinsatz überhaupt selbst am Code rumbasteln? Ganz zu schweigen davon, dass kaum ein Open-Source-Hersteller oder -Distributor Support für gepatchte Versionen leisten dürfte.
Trotzdem bieten die offenen Quellen Vorteile für Anwender, ist John Roberts, Chef und einer der Gründer von SugarCRM, überzeugt. Schon die Möglichkeit, durch das Verfolgen des offenen Entwicklungsprozesses und einen Blick in den Code einen Eindruck zu gewinnen, wie die Software entwickelt wird, sei für viele SugarCRM-Kunden ein Argument für Open Source. Und die Anwender, so Roberts, würden es schätzen, bei Fehlerkorrekturen nicht auf die Gnade des Herstellers angewiesen zu sein: Wenn der nicht spurt, kann man immer noch versuchen, einen Bug selbst zu finden und zu beheben – oder ein anderes Unternehmen damit beauftragen.
SugarCRM-Europachef und -Mitgründer Clint Oram ergänzt: Bug-Reports von Kunden kämen häufig in der Form "In Modul X ist ein Fehler in Zeile 500". Anwender mit dem nötigen Know-how können Fehlfunktionen mit den Quelltexten sehr viel genauer diagnostizieren; und ein präziser Bug-Report erleichtert es den Hersteller wiederum, den Fehler schnell nachzuvollziehen: weniger Arbeit für den Anbieter, schnellere Bugfixes für den Kunden.
Und wann legen Kunden selbst Hand den Code? Das kommt, erklärt Oram, vor allem bei den Schnittstellen vor, über die sich das CRM-System mit anderen Anwendungen verbinden lässt. Hier seien manchmal zusätzliche Optionen nötig, an die die SugarCRM-Entwickler nicht gedacht haben – und die rüsten einige Kunden, die die Schnittstellen "auf der anderen Seite" kennen, eben selbst nach.
Zudem, so Roberts, sei die CRM-Anwendung in manchen Branchen ein entscheidendes Werkzeug im Wettbewerb. Solche Unternehmen würden auch schon mal größere Erweiterungen an den Kernfunktionen vornehmen – bis hin zu dem Punkt, wo der SugarCRM-Code letztlich nur als Basis für ein selbst gestricktes CRM-System dient.
Angesichts all dieser Möglichkeiten – und weiterer Vorzüge, etwa dem geringeren Marketing-Aufwand – ist Roberts sicher, dass sich das Open-Source-Modell in der Softwareindustrie allgemein durchsetzen wird. Seiner Meinung nach werden junge Firmen, die Closed-Source-Software entwickeln, zunehmend Probleme haben, noch Geldgeber zu finden (siehe dazu auch: OSMB: Investoren mögen Open Source sowie den Hintergrundartikel Open Source Business). In fünfzehn Jahren, ist Roberts überzeugt, wird die Luft auch für die etablierten Anbieter proprietärer Software allmählich dünn. (odi) (odi)