Kanada: Nutzerdaten dürfen nicht einfach Polizei übergeben werden

Wenn kanadische Strafverfolger künftig Nutzerdaten bei Providern erfragen, benötigen sie dafür eine richterliche Genehmigung. Internetnutzer hätten ein Recht darauf, dass ihre Privatsphäre im Internet angemessen geschützt sei.

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Das oberste Gericht Kanadas, der Supreme Court, hat einstimmig entschieden, dass Internet Service Provider (ISP) nur Nutzerdaten an Strafverfolger herausgeben dürfen, wenn eine richterliche Genehmigung vorliegt. Kanadier hätten "angebrachte Erwartung", dass sie sich im Internet anonym bewegten und diese Anonymität dürfe ihnen nicht ohne die Zustimmung eines Richters genommen werden, fasst der Toronto Star die Entscheidung zusammen. Demnach hat das Gericht damit auch Zweifel an zwei Gesetzesvorhaben der Regierung ausgelöst, die den Zugang zu solchen Daten ohne Durchsuchungsbefehl ("warrant") ausweiten sollten.

Kanadas Internetnutzer dürfen online einen Schutz ihrer Privatsphäre erwarten.

(Bild: dpa)

Kanadische Datenschutzexperten haben die Entscheidung als bedeutend für den Schutz der Privatsphäre gelobt. Sie habe Folgen für die verschiedensten Dinge von Ermittlungen in Fällen von Kinderpornografie bis hin zu staatlichen Überwachungspraktiken. Und diese Auswirkungen auf die Polizeiarbeit seien unmittelbar, analysiert Juraprofessor Michael Geist in seinem Blog. Die Praxis, dass solche Nutzerdaten auf freiwilliger Basis weitergegeben werde, müsse umgehend aufhören. Außerdem müssten die Provider ihren Umgang mit den Anfragen der Strafverfolger radikal überarbeiten.

Im konkreten Fall ging es um Ermittlungen gegen einen Mann, dem der Besitz und die Weitergabe kinderpornografischer Materialien vorgeworfen wurde. Ohne richterliche Genehmigung erfragte die Polizei Informationen über ihn bei seinem Provider Shaw Communications. Diese Daten hätten schließlich zur Festnahme und Verurteilung des Mannes geführt. Weil die Polizei davon ausgegangen sei, dass sie rechtmäßig handelt und eine Rücknahme dem Ruf des Rechtsstaats schaden würde, habe der Supreme Court dieses Urteil bestehen lassen. Aber in Zukunft sei immer ein Durchsuchungsbefehl notwendig, unabhängig davon, ob es um Kinderpornografie, Terrorismus oder andere Straftaten gehe. Ausnahmen könnten nur in Notfällen gelten.

Wie die Globe and Mail zitiert, hatte der Staatsanwalt das Gericht davor gewarnt, ein "Recht auf Online-Anonymität" anzuerkennen, weil das Internet dadurch zu ein kriminalitätsfreundlich werden würde. Wenn jemand illegales Material auf dem Markt anbiete, würde die Polizei auch Nebenstehende zu ihm befragen. Aber das Gericht argumentierte nun, mit dem Urteil werde kein "Recht auf Anonymität" anerkannt. Die Privatsphäre werde nur angemessen geschützt. Das Internet habe die Qualität und Quantität der Informationen, die über jemanden gespeichert werden, exponentiell gesteigert. Deswegen entspreche die Herausgabe der Nutzerdaten nicht nur dem einfachen Herumfragen im Zuge einer Ermittlung, schrieben die Richter, die mehrheitlich vor 1950 geboren wurden, wie die Zeitung anmerkt. (mho)