FIFA-Maulkorb für deutschen Forscher

Eigentlich sollte ein Querschnittsgelähmter das WM-Eröffnungsspiel anstoßen und das groß gezeigt werden. Doch die Fifa änderte den Plan. Warum, darüber darf ein beteiligter deutscher Forscher nicht sprechen.

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Von
  • Klaus Jacob

Eigentlich sollte ein Querschnittsgelähmter das WM-Eröffnungsspiel anstoßen und das groß gezeigt werden. Doch die Fifa änderte den Plan. Warum, darüber darf ein beteiligter deutscher Forscher nicht sprechen.

Dass die FIFA die Austragungsländer der Fußball-WM, ob Südafrika oder Brasilien, mit Knebelverträgen ihre Konditionen aufzwingt, ist bekannt. Auch, dass sie über jedes Detail einer Weltmeisterschaft bestimmten will, vom Umgang mit Demonstranten bis zum Abstand unautorisierter Straßenverkäufer zu den Stadien. Aber die mächtige Organisation macht nicht einmal vor der Wissenschaft halt.

In Brasilien hat ein Querschnittsgelähmter bei der Eröffnungsfeier den symbolischen Anstoß ausgeführt. Doch was bei der Eröffnungsfeier im Fernsehen zu sehen war, hatte wenig mit dem eigentlichen Plan zu tun. Ursprünglich sollte der Gelähmte aus eigener Kraft 25 Schritte bis zum Anstoßpunkt laufen und dann gegen den Ball treten. Doch der 28-Jährige Juliano Pintos war nur einen Moment an der Seitenlinie des Spielfelds sichtbar, dann schwenkte die Kamera auf den Ball, der gemächlich ein paar Meter aufs Spielfeld rollte. Das war´s, eine Sequenz von wenigen Sekunden.

Die Szene war so kurz, dass sie im Fernsehen wiederholt wurde, sonst wäre sie vollends untergegangen. Warum? Wir wollten Gordon Cheng von der TU München fragen, der für die Sensorik verantwortlich ist. Doch er wollte kein Interview geben. Seine Mitarbeiter an der TU München konnten auch nicht weiterhelfen. Sie waren selbst überrascht von dem dürftigen Auftritt und wussten nicht, ob die FIFA den Ablauf kurzfristig geändert hatte.

Cheng habe unterschreiben müssen, keine Einzelheiten weiterzugeben, nicht einmal den eigenen Mitarbeitern. Dass der Roboteranzug noch nicht ausgereift war, schließen die Münchner Wissenschaftler allerdings aus. In den Proben habe der Anstoß mehrmals geklappt. Als Erklärung bleibt die Kontrollwut der Fifa. Die schöne Idee, den vielen Gelähmten weltweit Mut zu machen, blieb auf der Strecke. Und der Maulkorb für einen Wissenschaftler hat es nicht besser gemacht.

Gordon Cheng arbeitete an den Sensoren, die dem Patient ein Gefühl dafür geben sollen, was seine Beine gerade tun. Urheber der Idee, dass der Anstoß eines Gelähmten die WM eröffnet, war der Brasilianer Miguel Nicolelis, einem fußballbegeisterten Neurowissenschaftler.

Zusammen mit rund 200 Wissenschaftlern aus aller Welt arbeitet er an dem Exoskelett, das es Gelähmten ermöglichen soll, allein mit Gedankenkraft zu laufen. Acht gelähmte Brasilianer trainierten monatelang für diesen Moment. Sie mussten den Umgang mit dem Exoskelett lernen wie eine Fremdsprache oder eine neue Sportart. (bsc)