Kontrolle über die Netz-Verwaltung: Wer lässt Domains wie .berlin künftig in die Rootzone?

Bislang hat die US-Behörde NTIA immer noch das letzte Wort bei allen Entscheidungen und Aktionen der ICANN und der ihr angeschlossenen Verwaltungsgremien für Netzangelegenheiten. Die Neuorganisaiton steht ganz oben auf der Agenda des 50. ICANN-Treffens.

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Von
  • Jürgen Kuri

Bislang hat die US-Behörde NTIA noch das letzte Wort bei der weltweiten Internet-Verwaltung. Das soll sich ändern

Lawrence Strickling, Chef der US-Technologiebehörde National Telecommunications and Information Administration (NTIA), verteidigte kurz vor dem 50. Treffen der Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) erneut die geplante Reform der Aufsicht über die zentrale DNS-Rootzone. 16 Jahre nach der Gründung der ICANN sei es an der Zeit, die ohnehin beschränkten Aufgaben seiner Behörde abzugeben, sagte Strickling per Blogpost und in einem Interview.

Republikanische Kongressabgeordnete haben vergangene Woche einen weiteren Gesetzesvorschlag vorgelegt, der das Auslaufen des Vertrages über die in Internet Assigned Numbers Authority (IANA) an Bedingungen knüpfen beziehungsweise Haushaltsmittel für die Übergabe kürzen soll. Im IANA-Vertrag ist der Betrieb der zentralen Rootzone, die Vergabe von IP-Adressblöcken und das Führen der Datenbank für Protokollnummern geregelt; der ICANN obliegt die Führung und die Aufsicht über die IANA. Bislang hat die NTIA bzw. das US-Handelsministerium, dem die NTIA unterstellt ist, immer noch das letzte Wort bei allen Entscheidungen und Aktionen der ICANN und der ihr angeschlossenen Verwaltungsgremien für Netzangelegenheiten.

ICANN, IANA & Co.: Die Verwaltung des Internets

Diverse Organisationen sind für die Verwaltung des Internets zuständig - die ICANN und die ihr zugeordnete IANA etwa verwalten die weltweiten IP-Adressen und die DNS-Rootzone, die IETF ist für die Protokollstandards verantwortlich. Bis vor kurzem noch bedingte sich die USA die letzte Entscheidungsgewalt aus.

Strickling sagte, die Rolle der NTIA sei schon jetzt bescheiden. Die NTIA habe nicht die Art von Aufsicht über das Internet, die manche Kongressmitglieder sich vorstellen. "Wir kontrollieren das Internet nicht. Wir beaufsichtigen nichts", sagte Strickling. Vielmehr stelle seine Behörde nur sicher, dass Änderungen in der Rootzone korrekt gemacht würden.

Das Management liege längst in den Händen der technischen Experten, der Wirtschaft, von Nutzervertretern und – "in gewissem Umfang" – auch der Regierungen. Strickling gab sich zuversichtlich, dass diese "Stakeholder" in den laufenden Debatten ein solides Modell für die künftige IANA-Aufsicht entwickeln.

ICANNs CEO Fadi Chehadé sagte zum Auftakt des zweiten internationalen Gipfels von Nutzerorganisationen in der ICANN am heutigen Samstag in London, die Arbeit an der Reform der IANA-Aufsicht stehe ganz oben auf der Agenda. Es gelte zu entscheiden, wer künftig grünes Licht für die Eintragung einer Top Level Domain wie .paris in die DNS-Rootzone geben dürfe, nachdem das von den Stakeholdern entwickelte und ICANN umgesetzte, aufwändige Bewerbungsverfahren abgeschlossen sei. Gleichzeitig müsse entschieden werden, an wen sich Parteien wenden könnten, wenn sie mit ICANN unzufrieden seien. Chehadé widersprach Bedenken, die NTIA-Ankündigung sei ein Bluff. Die US-Regierung durch andere Regierungen zu ersetzen, lehnte Chehade gleichzeitig ab.

Wie so oft dauern ICANN-Verfahren jedoch etwas länger. Die ersten Monate nach der Ankündigung einer Änderung in der Oberaufsicht über die Netzverwaltung beschäftigte sich die ICANN mit der Frage, wie die internationale Konsultation zur IANA-Reform organisiert werden soll. Jetzt sollen die verschiedenen ICANN-Gremien und IANA-Nutzer wie die IP-Adressregistries und die Internet Engineering Task Force Mitglieder in ein "Steering Committee" entsenden, das die weiteren Debatten koordinieren soll. Kritik am ICANN-Management, über eine eingegliederte IANA selbst nach mehr Macht zu streben, blieb nicht aus.

Beim Londoner Treffen steht die IANA-Frage auch bei den zahlreich erwarteten Regierungsvertretern prominent auf der Agenda. Am Montag findet eine als High-Level-Treffen angekündigte Aussprache dazu statt. Daneben stehen einmal mehr Mechanismen zum Schutz "öffentlicher Interessen" bei den neuen Top Level Domains auf dem Programm. Insgesamt erwartet das ICANN-Management, dass das 50. Treffen der ICANN mit über 2300 bereits registrierten Teilnehmern eines der größten in der Geschichte der Selbstverwaltungsorganisation wird. (jk)