ICANN-Treffen: Regierungen loten Reform der Netzaufsicht aus

Auf dem 50. ICANN-Treffen in London bringen sich die verschiedenen Interessengruppen für die anstehende Reform der Netzaufsicht in Stellung. Das von den USA zurückgelassene Machtvakuum will gefüllt werden.

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Von
  • Monika Ermert

Am Rande des 50. Treffens der Netzverwaltung ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) in London haben sich Regierungsvertreter aus 77 Ländern erstmals ausführlicher über die anstehende Reform der Aufsicht über die Rootzone ausgetauscht. Nach dem Rückzug der USA soll die Aufsicht über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) neu geregelt werden, die unter anderem IP-Adressen und die Internet-Rootzone verwaltet.

ICANN-Chef Fadi Chehade hält die Idee einer Aufteilung der Netzaufsicht für "lächerlich".

(Bild: ICANN)

Mit konkreten Vorschlägen, wie die Aufsicht künftig organisiert werden soll, hielten sich die Minister und Staatssekretäre noch sehr zurück. Axelle Lemaire, Staatssekretärin im französischen Wirtschaftsministerium, feuerte eine Breitseite auf die private Netzverwaltung und forderte radikale Veränderungen der ICANN. Die Franzosen sind ungehalten, weil die ICANN die neuen Top-Level-Domains .vin und .wine durchgewinkt hat. Wie andere Weinländer auch fürchten sie eine Verwässerung der geschützten Herkunftsbezeichnungen für ihre Weine.

Auch Chinas frischgebackener Minister für Cyberaffairs, Lu Wei, drängte auf eine rasche Reform. Er empfahl, die Mitglieder des von der ICANN geplanten Koordinierungsgremiums für die IANA-Reform müssten die globale Verteilung von Internetnutzern widerspiegeln und forderte eine "Charter für eine Internet Governance Allianz". Der hochrangige Besuch aus China wurde allgemein als Erfolg für die ICANN gewertet, da China traditionell eher dem Lager der Befürworter einer UN-Lösung für die Netzverwaltung zugerechnet wird.

Man könne durchaus überlegen, ob Regierungen künftig etwa bei geographischen TLDs mehr Einfluss bekommen sollten, sagte Detlev Dauke vom Bundeswirtschaftsministerium. Einer UN-Lösung für die IANA-Aufsicht erteilte der deutsche Vertreter eine Absage. Auch der gastgebende britische Minister für Kultur, Kommunikation und Kreativindustrie, Ed Vaizey, und Vertreter weiterer EU-Regierungen sprachen sich für eine möglichst "leichthändige" Aufsicht aus.

Mehr Einfluss der Regierungen auf die IANA-Reform forderten am Sonntag unter anderem Argentinien und der Iran. Regierungen sollen bisher zwei der insgesamt 27 Sitze im Koordinierungsgremium bekommen. Die übrigen Plätze sollen mit Vertretern der ICANN-Interessengruppen, der Internationalen Handelskammer, der Internet Society sowie der IP-Adressverwalter und Standardisierer besetzt werden. Erstmals soll das Gremium am 17. Juli tagen.

ICANN-CEO Fadi Chehadi erteilte den Forderungen nach mehr Regierungseinfluss eine Absage. Das Gremium sei ohnehin nur aufgerufen, die weiteren Konsultationsprozess zu organisieren. Überlegungen, die bislang gebündelte Aufsicht aufzuteilen, nannte der ICANN-Chef "lächerlich". "Die ICANN ist dafür geschaffen worden, die IANA-Aufgaben zu übernehmen", zeigte sich Chehadé entschlossen.

Auch der Chef der US-Telekommunikationsbehörde NTIA, Larry Strickling, verwies auf klare Grenzen für die anstehende Reform. Die NTIA habe Grundsätze wie Staatsferne und das "Multi-Stakeholder-Prinzip" vorgegeben. Über den Vertrag mit VeriSign werde im Rahmen der Reform nicht gesprochen, betonte Strickling, nachdem kurz vor dem Treffen ein europäischer Regierungsvertreter die Rolle des Rootserver-Betreibers zur Diskussion gestellt hatte (vbr)