Der junge Mann und das Meer: 19-Jähriger will Ozeane von Plastik säubern

In den Weltmeeren schwimmt immer mehr Plastikmüll und sammelt sich in riesigen Wirbelströmen. Ein 19-Jähriger hat eine Vision, wie wir das Problem lösen könnten. Technology Review hat ihn getroffen.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Der niederländische Student Boyan Slat will mithilfe einer gigantischen Filteranlage die Ozeane vom Plastikmüll säubern. Technology Review hat ihn in Delft getroffen und berichtet in der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe 07/14 erstmals Details von seinen Plänen (das Heft können Sie online bestellen), die er erstmals 2012 in einem TEDx-Vortrag der Öffentlichkeit vorstellte.

Nun hat Slat eine 528 Seiten lange Machbarkeitsstudie erstellt. Demzufolge ist der sogenannte „Ocean Cleanup Array“ eine gigantische Filteranlage für die Meere. Wenn sie fertig ist, besteht sie aus einer vollautomatisierten Sammelplattform, aus der v-förmig zwei lange Ausleger ins Wasser ragen. Jeder der beiden Arme ist 50 Kilometer lang und besteht aus schwimmenden Segmenten. Sie halten eine mit Gewichten beschwerte Plane, die drei Meter unter die Wasseroberfläche ragt. Diese Tiefe ist ausreichend, da, wie Slats Messungen ergaben, das meiste Plastik in den oberen drei Metern schwimmt. Fische können zudem leicht unter dem Filter durchschwimmen. Auch auf das Plankton hat die Anlage kaum Einfluss.

Die gigantische Anordnung wird von einer ausgeklügelten Seiltechnik in Spannung gehalten und am Meeresboden in bis zu 4000 Metern Tiefe verankert. Das Maul des Vs ist 120 Grad weit geöffnet und exakt so ausgerichtet, dass die Meeresströmung das Wasser – und mit ihm den Plastikmüll – hineintreibt. Die Partikel sammeln sich an den Auslegern, treiben unaufhaltsam zum Zentrum der Anlage und konzentrieren sich dort. Förderbänder und Schlammpumpen fischen sie aus dem Wasser, in einem Stahlbehälter werden sie vollautomatisch verdichtet und gespeichert – bis das Transportschiff kommt und den Müll abholt, alle 45 Tage einmal. Denn so lange dauert es nach Boyan Slats Berechnungen, bis der 3000 Kubikmeter große Speicher der Plattform wieder voll mit Plastikmüll ist. Das Plastik soll dann entweder recyclet oder in Öl umgewandelt werden.

In einer derzeit laufenden Crowdfunding-Kampagne sammelt Slat 2 Millionen Euro für eine Pilotanlage. Über ein Drittel der Summe ist bereits zusammengekommen.

Plastikmüll ist ein gewaltiges Umweltproblem. Über Windverwehungen, schlampige Müllentsorgung oder illegale Verklappung gelangt pro Jahr laut Schätzungen rund fünf Millionen Tonnen Plastik in die Meere. Ein Großteil sinkt auf den Meeresboden, etwa ein Drittel jedoch schwimmt in der Wassersäule oder an der Oberfläche. Dort zersetzt sich das äußerst haltbare Material nur sehr langsam, über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Durch Wellenkräfte, UV-Strahlung und Salzwasser wird das Plastik spröde und zerfällt in immer kleinere Partikel, bis nur noch mikroskopisch kleine Partikel übrig bleiben. Diese werden von Plankton und Fischen gefressen und gelangen in die Nahrungskette. Größere Plastikteile verstopfen zudem die Verdauungsorgane von Seevögeln, Fischen und Delphinen, die daran verenden können. Das Plastik enthält zudem viele toxische und krebserregende Chemikalien wie DDT, PCB und hormonell wirksame Weichmacher.

Niemand weiß genau, wie viel Plastik in den Meeren herumschwimmt. Das Umweltbundesamt beziffert die Menge auf etwa 90 Millionen Tonnen. Die Umweltorganisation 5Gyres schätzt die Menge auf 500.000 Tonnen Plastik (allerdings nur die noch schwimmende Menge, nicht die bereits abgesunkene).

Das Plastik sammelt sich früher oder später an fünf Stellen in den Weltmeeren: den großen Meeresdriftwirbeln. Das Problem sind die gewaltigen Ausmaße der Wirbel. Die Meere mit Schiffen und Netzen vom Plastik zu reinigen würde Jahrhunderte dauern. Boyan Slats neue Idee ist es, die Filteranlagen genau in den Wirbeln stationär zu verankern und das Plastik aus dem strömenden Wasser herauszufiltern.

Die erste geplante Anlage soll im Nordpazifik bei 30°N, 138°W etwa 1660 Kilometer vor der Küste San Franciscos entstehen. Slat will damit etwa 70.000 der geschätzten 140.000 Tonnen im Nordpazifikwirbel herausfiltern. Die Kosten für die Anlage veranschlagt Slat auf 317 Millionen Euro, inklusive Betriebskosten für 10 Jahre - ein Vierundvierzigstel der Summe, die Mark Zuckerberg für Whatsapp bezahlt hat. Damit würde jedes Kilo gesäuberte Plastik etwa 4,53 Euro kosten – das ist in etwa so viel wie Strandsäuberungen kosten.

Mehr zum Thema in Technology Review 07/2014:

(jlu)