Weniger ist mehr: Android Wear im Test

Mit der Gear Live von Samsung ist die erste Smartwatch mit Googles neuem Wearables-Betriebssystem Android Wear bei uns eingetrudelt. Die Uhr punktet mit guter Hardware, die reduzierte Software hat Potenzial.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Da werden Teenager-Träume wahr: Lässig wie damals Michael Knight "Navigiere zum Flughafen" in die Armbanduhr reinsprechen – und schon poppen Richtungspfeile auf dem Display auf. Möglich macht das Googles neues Wearable-Betriebssystem Android Wear, das wir in Form der Samsung-Smartwatch Gear Live erstmals testen konnten. Im Prinzip ist Android Wear vor allem ein Zusatzdisplay für die Benachrichtungsleiste von Android-Smartphones. Alles was dort aufpoppt, wird auf die Armbanduhr durchgereicht. Schiebt man die Meldung mit einem Rechtswisch vom Smartwatch-Touchscreen, ist sie auch auf dem Handy verschwunden und umgekehrt.

Samsung Gear Live: Erste Smartwatch mit Android Wear (26 Bilder)

Äußerlich unterscheidet sich die Samsung Gear Live nicht sonderlich von anderen Gear-Modellen.

Mit den meisten Benachrichtigungen kann man auf der Uhr wenig bis gar nicht interagieren: Whatsapp-Nachrichten beispielsweise kann man zwar lesen, aber nicht beantworten. Antworten lassen sich lediglich bei SMS und GMail-Nachrichten diktieren, eine Tastatur gibt es für das Minidisplay aus naheliegenden Gründen nicht.

Apropos Diktieren: Für Sprachkommandos nutzt Android Wear Googles Cloud-basierte Spracherkennung, die inzwischen beängstigend gut funktioniert. Die Gear Live versteht den Träger sogar einwandfrei, wenn er mit dem Rad über eine Autobahn-Brücke fährt – trotz Verkehrslärm und Fahrgeräuschen.

Per Sprachbefehl kann man zum Beispiel Notizen schreiben, Erinnerungen eintragen, seinen Puls messen lassen, sich irgendwohin führen lassen und Apps auf dem Smartphone starten. Bei letzterem wünscht man sich zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten. Ein Beispiel: Mit "Öffne Spotify" lässt sich zwar der Musikplayer starten, für die Songauswahl muss man dann aber doch das Handy aus der Tasche holen. Die Playersteuerung (Pause, vor, zurück) funktioniert dann wiederum mit der Uhr – und zwar mit allen Playern, die wir ausprobiert haben.

[Update: Über einen Umweg kann man tatsächlich auch Spotify per Sprache steuern. Dafür startet man zuerst auf dem Smartphone (nicht auf der Uhr!) eine Sprach-Suchanfrage à la "Spiele Lana Del Rey" und wählt dann im eingeblendeten Suchfenster Spotify als Standard-Musikplayer aus.]

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Die Gear Live verbindet sich ausschließlich mit Smartphones, auf denen Android ab Version 4.3 läuft, außerdem ist Bluetooth 4.0 erforderlich. Die Hardware macht einen ordentlichen Eindruck: Das 4,1 Zentimeter (1,63 Zoll) große Super-AMOLED-Display mit 320 mal 320 Pixeln ist farbneutral, kontrastreich und recht hell. Direkte Sonneneinstrahlung überfordert den Bildschirm allerdings – die Uhrzeit lässt sich dann nur noch bei genauem Hinsehen ablesen.

Die Smartwatch reagiert dank 1,2-Ghz-Dualcore-CPU angenehm flott, der Touchscreen funktioniert (außer bei Regen) zuverlässig. Ansonsten macht Wasser der Uhr nicht viel aus, das Gehäuse hat eine IP67-Zertifizierung und sollte damit 30 Minuten in bis zu einem Meter tiefen Wasser überleben. Wie alle Android-Wear-Geräte ist die Gear Live stumm, will sie dem Träger etwas mitteilen, vibriert sie.

Etwas nervig: Um die Uhr aufzuladen, muss man erst eine Plastikhalterung mit Micro-USB-Buchse an die Rückseite klipsen. Verliert man die Halterung, kann man die Uhr nicht mehr aufladen. Der 300-mAh-Akku hält bei intensiver Benutzung etwa zwölf Stunden lang, die Uhr muss also jede Nacht an die Steckdose.

Alles in allem zeigt Android Wear, wo die Entwicklung bei den Smartwatches hingeht: Statt einfach ein komplettes Smartphone in ein Uhrengehäuse zu quetschen, reduziert Google die Funktionalität. Das ist sinnvoll: Niemand will sich beim Telefonieren eine Uhr an den Mund halten, niemand will Musik aus einem quäkenden Armbanduhrenlautsprecher hören – und Angry Birds spielt man auch lieber auf dem großen Smartphone-Display als auf dem minikleinen Uhrenbildschirm.

Android Wear sorgt dafür, dass man das Smartphone nicht bei jeder einlaufenden Mail, SMS oder Messenger-Nachricht aus der Hosentasche fummeln muss. Das funktioniert schon jetzt prima. So richtig Spaß machen wird Android Wear aber erst, wenn mehr Hersteller ihre Smartphone-Apps für die Bedienung mit Smartwatches anpassen – so, dass man zum Beispiel Messenger-Apps per Sprache bedienen kann. Außerdem sind wir gespannt auf die ersten Android-Wear-Apps von unabhängigen Entwicklern. (jkj)