Kommentar zu Kartellvorwürfen gegen Google: Das Gespenst des Monopols

Aus der Geschichte von Microsoft und der von Google lassen sich interessante Lehren ziehen, meint der Philosoph Jörg Friedrich. Microsoft werde heute nicht mehr als der große, böse Monopolist betrachtet, das könnte Google genau so ergehen.

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Von
  • Jörg Friedrich
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Wieder einmal geht ein Gespenst um in Europa, das Gespenst des Monopols, und dieses Mal heißt es Google. Nicht nur, dass das Unternehmen den Markt für Internet-Suchen beherrscht, es baut auch Smartphones, sein Betriebssystem dringt in alle möglichen technischen Geräte vor, und nun will Google auch noch fahrerlose Autos bauen. Für viele ist klar: Da strebt ein Unternehmen nach der Weltherrschaft, und diejenigen, die sich selbst für die Weltherrschaft viel besser geeignet sehen, die multinationalen Behörden und Ministerialbürokratien, wollen Googles Macht unbedingt beschneiden und begrenzen.

Ein Kommentar von Jörg Friedrich

Jörg Friedrich ist Philosoph und Geschäftsführer eines Münsteraner Softwarehauses. Im vergangenen Jahr erschien bei Telepolis sein Buch "Kritik der vernetzten Vernunft - Philosophie für Netzbewohner".

Dazu werden Schreckensszenarien entworfen und Feindbilder konstruiert, dass es für den politisch interessierten Philosophen eine Freude ist – und viele sorgenvolle Kommentatoren beteiligen sich. Die besten Bespiele für die Munition, mit der die Abwehrschlacht gegen den Feind gewonnen werden soll, findet sich – bei Google. Man gebe nur einmal "Datenkrake" in das Suchfeld ein. Selbstverständlich muss offen diskutiert werden, was Google mit den Daten der Benutzer macht, auf deren Nutzung das Geschäftsmodell basiert, und wie damit umzugehen ist. Aber eine Dämonisierung schürt nur irrationale Angst. Die Frage, wem diese Angst nützt, ist genauso wichtig wie der richtige Umgang mit den Problemen, die da entstehen.

Die älteren von uns erleben ein Déjà-vu. Vor rund 20 Jahren wurde, mit gleicher Vehemenz schon einmal so eine Schlacht geschlagen – gegen Microsoft. Auf fast jedem Personalcomputer lief seinerzeit das Redmonder Betriebssystem, keine Bürosoftware kam gegen das Office-Paket an – und nun schickte sich das Unternehmen auch noch an, Server-Software und einen Web-Browser zu bauen, stellte ein Internet-Portal bereit und investierte in verschiedene Geräte wie Spielkonsolen und MP3-Player.

Auch damals schon hieß es: Hier strebt ein Konzern nach einer umfassenden Monopolstellung, wenn nicht nach Weltherrschaft. Auch damals wollten Behörden auf der ganzen Welt die Macht des Unternehmens begrenzen, den Konzern am liebsten zerschlagen – und blieben damit weitgehend erfolglos.

Man muss kein Fan von Konzernstrukturen sein, um den Kampf des Staates gegen die Marktposition eines Großunternehmens abzulehnen. Es ist selbstverständlich problematisch, wenn sich irgendwo Monopole aufbauen. Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob sie tatsächlich Innovationen verhindern oder ihre Marktmacht zum Nachteil ihrer Kunden ausnutzen, ob der Schaden, den sie anrichten unterm Strich größer ist als der Nutzen, den sie stiften. Wer will schon auf das Schreiben mit Word, das Präsentieren mit PowerPoint, das Suchen mit Google, das Orientieren mit den Karten und Luftbildern von Google verzichten?

Aus der Geschichte von Microsoft und der von Google lassen sich nämlich ganz interessante Lehren ziehen. Warum wird Microsoft heute nicht mehr als der große, böse Monopolist betrachtet, obwohl doch noch immer auf fast allen PCs das Betriebssystem der Firma läuft, obwohl PowerPoint inzwischen zum Synonym für Präsentation geworden ist, obwohl wir unsere Texte ganz selbstverständlich als Word-Dokumente verschicken?

Der Wettbewerb ist auf ganz anderen Gebieten entstanden, die Wettbewerber, die Microsoft das Leben schwer gemacht haben, waren nicht die Anbieter anderer Office-Software, sondern die, die völlig neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet haben. Wir schreiben immer noch mit Word, und Microsoft hat viel dafür getan, dass wir uns nicht davon trennen wollen, aber die Informationen, die wir für den Text brauchen, suchen wir bei Google und mit dem Browser Chrome, und in Verbindung mit anderen bleiben wir nicht per MSN, sondern per Facebook, WhatsApp und anderen Kommunikationsmöglichkeiten.

Die Furcht ist verschwunden.

(Bild: dpa, Sebastian Kahnert)

Microsoft war irgendwann nicht mehr sexy für alles, was wir tun wollten. Am Ende entscheiden die Nutzer, ob sie wirklich auch noch die Spielkonsole und das Smartphone vom Monopolisten haben wollen. Gut war es trotzdem, dass die Firma versucht hat, auf all diese Märkte vorzudringen. Dabei hat sie Milliarden in die Produktentwicklung investiert, sicherlich auch ein paar gute Ideen gehabt und den Wettbewerbern einige Sackgassen erspart. Monopolprofite fließen ja nur zu einem ganz kleinen Teil in die Taschen der Aktionäre, der größte Teil wird wieder investiert, in die Verbesserung der Kernprodukte und in das Vordringen auf neue Märkte. Vielleicht war Microsoft auch nie wirklich sexy, das ist sicher ein Unterschied etwa zu Google und Apple – aber auch die werden irgendwann ihren Nutzern auf die Nerven gehen, wenn sie nicht innovativ bleiben.

Und deshalb ist es auch gut, dass Google seine Gewinne in fahrerlose Autos investiert. Das provoziert die anderen Autobauer, wenigstens gleichzuziehen. Nur die Gefahr des Eindringens eines Newcomers reißt die Autoindustrie aus der Ruhe auf den gut aufgeteilten Märkten. Ob das bessere Fahrzeug dann einen Stern oder einen bunten Schriftzug trägt, ist uns Kunden doch egal, Hauptsache, es kommt. Und irgendwo sitzt schon eine kleine Firma, die ein Bedürfnis entdeckt hat, an das die Monopolisten alle noch nicht denken. Die wird plötzlich mit einer neuen, sexy Idee auf den Markt kommen, die Google so richtig alt aussehen lässt. Und dann wird Google das Schicksal von Microsoft teilen – wir werden immer noch googeln, aber wir werden keine Angst mehr dabei haben. (anw)