NSA-Skandal: Muslimische US-Persönlichkeiten überwacht

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden offenbar gezielt US-Persönlichkeiten muslimischen Glaubens überwacht. Diese Enthüllung macht weitere Überwachungsopfer namentlich bekannt und drängt US-Geheimdienste in die Defensive.

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Die US-Geheimdienste NSA und FBI haben jahrelang die E-Mails prominenter muslimischer US-Bürger überwacht, darunter ein Politiker, Menschenrechtsaktivisten, Akademiker und Anwälte. Dabei wurden geheime Verfahren angewandt, die eigentlich gegen Terroristen und ausländische Spione gerichtet werden sollen, schreibt Glenn Greenwald auf The Intercept. Er beruft sich dabei auf eine Auswertung weiterer Dokumente des NSA-Whistleblowers Edward Snowden.

Nihad Awad (2.v.r.) mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush

(Bild: Weißes Haus)

Dem ausführlichen Bericht zufolge wurde unter anderem Faisal Gill überwacht. Gill arbeitete Anfang des Jahrtausends im Weißen Haus für das Department of Homeland Security. Außer ihm finden sich in den Dokumenten noch der Anwalt Asim Ghafoor sowie der Universitätsprofessor Hooshang Amirahmadi. Agha Saeed war als Professor an der Universität tätig und setzt sich unter anderem für die Bürgerrechte ein. Nihad Awad, der fünfte im Bunde, hat das Council on American-Islamic Relations (CAIR) gegründet, die größte muslimische Bürgerrechtsorganisation der Vereinigten Staaten.

Alle diese Persönlichkeiten sind muslimischen Glaubens. Nicht-Muslime wurden für ähnliche Tätigkeiten offenbar nicht überwacht. Ghafoor etwa vertrat in einem Gerichtsverfahren eine Hilfsorganisation aus Saudi-Arabien, der Verbindungen zur Terroristen vorgeworfen wurden. Die habe aber auch jede Menge anderer Anwälte engagiert, die wohl nicht überwacht wurden. Ghafoor selbst wusste bereits, dass er ins Visier geraten war, nachdem das US-Finanzministerium aus Versehen einen geheimen Telefonmitschnitt weitergegeben hatte. Der Anwalt hatte die US-Regierung daraufhin erfolgreich auf Schadenersatz verklagt. Die neuerliche Enthüllung zeigt aber, dass er auch während dieses Gerichtsverfahrens weiter überwacht wurde.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Das US-Justizministerium habe sich zu den Dokumenten nicht geäußert, schreibt Greenwald. Gleichzeitig hätten sich aber Regierungsvertreter an muslimische Persönlichkeiten in den USA gewandt und erklärt, ein angekündigter Bericht enthalte Fehler und Missverständnisse – obwohl der Text da noch gar nicht geschrieben worden war. Gegenüber The Intercept hätten Vertreter von NSA und dem Nationalen Geheimdienstkoordinator lediglich vor der Veröffentlichung der Namen von Zielpersonen gewarnt: "Außer in außergewöhnlichen Ausnahmefällen", würden US-Bürger nur mit gerichtlich genehmigten Durchsuchungsbefehlen überwacht. Unterdessen habe eine anonyme Quelle mitgeteilt, dass mindestens gegen einen der Fünf kein solcher Durchsuchungsbefehl vorgelegen habe.

Wie auch der jüngste Bericht der Washington Post rückt auch diese Enthüllung wieder jenen Teil der Snowden-Dokumente in den Vordergrund, der in den USA für den meisten Diskussionsstoff sorgt: Die Überwachung von US-Bürgern. Während Ausländer vom Gesetz nicht vor der Überwachung geschützt werden, gelten für US-Amerikaner Rechte. Sollten diese nicht eingehalten worden sein, würde eines der zentralen Argumente von Verteidigern der Geheimdienste in sich zusammenfallen. Dass gezielt Persönlichkeiten – mutmaßlich ohne Verbindungen zu Terroristen – überwacht wurden, drängt Geheimdienste in die Defensive.

Auch wenn die Begründung für die Überwachung der fünf nicht in den Dokumenten gestanden habe, scheint ihre Überwachung, genau wie jene unverdächtiger US-Bürger den jüngsten Bericht des US-Datenschutzbeirats zu widerlegen. Darin war konstatiert worden, dass sich die NSA bei der Internetüberwachung an geltende Gesetze halte. (mho)