Teures "Ruf...mich...an!" für Hörproben

Media Control jubelt Surfern eine programmgesteuerte 0190er-Einwahl für das Anhören von RealAudio-Musikschnipseln unter.

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Eine neue, aber bereits schwer umstrittene Form des E-Commerce per programmgesteuerter 0190er-Einwahl setzen die Hitparadenspezialisten von Media Control auf ihrer Chart-Website ein. Der Server hält neben kurzen Textinformationen, Links und einem Gewinnspiel jeweils 30-sekündige Hörproben aktueller Musiktitel als RealAudio-Streams bereit. Außer einem kostenlosen Hineinhören in den höchsten Neueinsteigertitel der Woche (was tatsächlich funktioniert) und in die derzeitige Top-1-Single (was nicht funktioniert) bietet Media Control seinem vorwiegend jugendlichen Surfpublikum Kostproben sämtlicher Top-100-Titel, allerdings über eine "on-the-fly" aufgebaute gebührenpflichtige 0190er-Verbindung.

Wer sich in den mit einem Schlüssel gekennzeichneten Bereich verirrt, wird zunächst darüber informiert, daß der betreffende Dienst mit 1,21 Mark pro Minute zu Buche schlägt. Anwender des Internet Explorer erhalten dann für das Umschalten der Verbindung ein ActiveX-Control, bei Netscape-Nutzern tut es zum gleichen Zweck das Java-Applet SwitchConnection. Beim IE ist die Sicherheit auf die Stufe "Mittel" zu stellen, unter Netscape muß der Anwender dem Applet den Zugriff auf lokale Ressourcen gestatten. Ohne ausdrückliche Vorwarnung wird schließlich die bestehende Internet-Verbindung gekappt und eine neue über die Nummer 0190/575719 aufgebaut. Wer per Modem surft, bemerkt zumindest den Wählton. ISDN-Teilnehmer hingegen bekommen normalerweise nichts von der automatisch ablaufenden Aktion mit, sofern sie ihre Verbindungen nicht ständig durch einen Monitor überwachen lassen. Wann die Einwahl erfolgt, wird vom Server nicht gemeldet. Alles Weitere kostet dann 1,21 Mark pro Minute – egal, was man auf der MC-Charts-Website tut und wie lange die Verbindung offen bleibt. Auch wenn der Browser beispielsweise abstürzt, tickt der teure Zeittakt je nach Einstellung des DFÜ-Netzwerks so lange weiter, bis der Nutzer die IP-Verbindung von Hand abbricht.

Media Control zufolge soll die Gebühr dazu dienen, "die Veröffentlichungsrechte der Musikindustrie zu finanzieren". Man geht dort offenbar davon aus, daß Websurfer freiwillig auf diese Technik einsteigen, die "Modellcharakter" haben soll. Auf diesem Grund offeriert man denjenigen, bei denen weder die ActiveX-Lösung noch das Java-Applet in Frage kommt, den Download der Software, die das Umschalten auf den gebührenpflichtigen Einwahlserver übernimmt. Auch eine Anleitung für die manuelle Herstellung eines passenden Verbindungseintrags fürs Windows-DFÜ-Netzwerk fehlt nicht. Es scheint, als schätze man die Rechenfähigkeiten des angepeilten jugendlichen Publikums nicht allzu hoch ein: Das Anhören eines 30-sekündigen Musikpröbchens kostet nach unserer Erfahrung tatsächlich rund drei Mark, da auch während des Auswahlvorgangs und beim Herumklicken auf dem Server zu Orientierungszwecken der Gebührenzähler läuft. Außerdem erlaubt der MC-Chart-Server selbst bei guten Netzbedingungen nur einen ziemlich schnarchigen Seitenaufbau. Dank bandbreitensparender Codierung der RealAudio-Streams klingen die teuren Pröbchen auch noch extrem jämmerlich. Bei MyCD oder Amazon bekommt man Vergleichbares per RealAudio (und bei CDnow sogar per MP3) übrigens kostenlos. (psz)