Webspace-Urteil: Ohrfeige für Serien-Abmahner

Das Landgericht München hat eine Klage des "Webspace"-Markeninhabers Klaus Thielker gegen einen Abgemahnten abgewiesen – mit einer überraschenden Begründung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 86 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

In einem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom Dezember 1999 hat die Kammer für Wettbewerbssachen am Landgericht München I eine Klage des "Webspace"-Markeninhabers Klaus Thielker (vertreten durch Anwalt Günter Frhr. v. Gravenreuth) gegen den minderjährigen Betreiber der Website www.web4space.de (vertreten durch seinen Vater) auf Zahlung von 1108,80 DM Abmahngebühren abgewiesen. Die Abmahnung hatte wie in etlichen ähnlichen Fällen die Benutzung des geschützten Markenbegriffs "Webspace" auf einer Homepage zum Gegenstand. In diesem Fall erklärte der Abgemahnte schriftlich, er werde die Benutzung des fraglichen Begriffs künftig unterlassen – nur die geltend gemachten Kosten wollte er nicht übernehmen. Daraufhin klagte Thielker.

Verblüffend dürfte vielen Beobachtern der einschlägigen Rechtsprechung die Begründung des Urteils erscheinen: Da es sich um eine "Serienabmahnung zum alleinigen Zweck des Geldverdienens" handle, sei der Kläger nicht berechtigt, den Beklagten zur Erstattung der Kosten heranzuziehen – so das Gericht. Vielmehr sei die Durchsetzung eines vermeintlichen Erstattungsanspruchs auf dem Klagewege hier sogar als Rechtsmissbrauch anzusehen. Weil seine Klage abgewiesen wurde, muss Thielker nun auch die Kosten des Gerichtsverfahrens selbst tragen.

Dabei haben die Richter die Frage, ob die konkrete Abmahnung begründet ist und der Abgemahnte sich tatsächlich einer Markenverletzung schuldig gemacht hat, gar nicht erst beantwortet. Völlig außen vor blieb die Frage um die Schutzfähigkeit der Marke "Webspace", für die beim deutschen Patent- und Markenamt zur Zeit ein Löschungsverfahren anhängig ist. Maßgeblich ist für die Münchner Richter, dass die Abmahnung nach ihrer Auffassung nicht dem Interesse des Abgemahnten, sondern nur dem Zweck einer Gebührenforderung gegolten hat.

Normalerweise dient eine Abmahnung dazu, dem Betroffenen eine gerichtliche Auseinandersetzung zu ersparen. Insofern lässt die Rechtsprechung dafür im Allgemeinen den Grundsatz der "Geschäftsführung ohne Auftrag" gelten und gesteht dem Abmahnenden das Recht zu, sich die Gebühren für das anwaltliche Schreiben vom Abgemahnten erstatten zu lassen. Das gilt jedoch nicht, so das Münchner Gericht, wenn es sich um einen serienweise durchgeführten Vorgang handelt, der die konkreten individuellen Umstände des Abgemahnten gar nicht berücksichtigt und so auch nicht in dessen Interesse liegen kann.

Im vorliegenden Fall hat es seit August 1999 immerhin 14 gleichartige Abmahnungen an Website-Betreiber gegeben. In der Urteilsbegründung vermerkt das Gericht sogar, Thielker habe seinen Markennamen praktisch nur im Zusammenhang mit diesen Aktionen konkret genutzt. Er ist dann, wie den Richtern beim Studium eines anderen "Webspace"-Urteils auffiel, sogar gegen solche Homepagebesitzer vorgegangen, die den bewussten Begriff nur als "allgemeine Inhaltsangabe" in einer Kopfzeile benutzten. Thielker habe selbst dort noch geklagt, "wo jeder vernünftige und halbwegs an einem fairen Verfahren Interessierte" darauf verzichte, Gerichtsentscheidungen zu "erzwingen". Damit habe er, so die Urteilsbegründung, sein "Kosteninteresse" besonders deutlich dokumentiert.

Der Kardinalfehler des "Webspace"-Markengladiators Gravenreuth dürfte darin gelegen haben, dass er den Ausführungen des Beklagten, es gehe um eine Serienabmahnung zu Profitzwecken, und die ganze Marke diene ihrem Inhaber nur dazu, Anderen ihre Benutzung zu verbieten, in seinen Schriftsätzen noch nicht einmal widersprach. Daher hatte das Gericht es leicht, diese Aussage als unbestritten zu übernehmen. Die umfangreichen Ausführungen Gravenreuths zur markenrechtlichen Lage der Sache waren dann ohne Belang.

Das Urteil dürfte nicht nur für Thielker und Gravenreuth eine schallende Ohrfeige bedeuten, sondern für alle Serienabmahner, die auf der lukrativen Gebührenwelle reiten. Es bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte sich in ähnlich gelagerten Fällen der Rechtsauffassung des Münchner Landgerichts anschließen und damit dem gerade in den letzten Monaten stark gewachsenen Abmahnunwesen in Markenrechtsdingen den Boden entziehen. (psz)