Amazons Verluste weiten sich aus

Im zweiten Quartal wuchs der Umsatz, aber auch die Verluste. Das laufende Quartal wird noch deutlich schlechter ausfallen. Die Aktionäre reagieren pikiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 236 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Donnerstagabend ist der Aktienkurs von Amazon.com, Inc., im nachbörslichen Handel um über zehn Prozent abgerutscht. Die Kursgewinne vom Juni und Juli wurden damit praktisch ausgelöscht. Anlass waren die veröffentlichten Quartalszahlen: Zwar stieg der Nettoumsatz im Jahresabstand um 23 Prozent auf 19,34 Milliarden US-Dollar, doch der Nettoverlust vervielfachte sich von sieben auf 127 Millionen Dollar. Der operative Verlust belief sich auf 15 Millionen Dollar nach einem operativen Gewinn von 79 Millionen ein Jahr zuvor.

Und im laufenden Quartal wird es noch viel schlimmer. Während der Nettoumsatz im dritten Quartal voraussichtlich 15 bis 26 Prozent zulegen wird, soll der operative Verlust auf 410 bis 810 Millionen US-Dollar explodieren. Im dritten Quartal 2013 hatte Amazon einen operativen Verlust von vergleichsweise bescheidenen 25 Millionen erlitten.

"Beurteile einen Tag nicht nach der Ernte, die Du einfährst, sondern nach den Samen, die Du gesät hast." Dieser dem schottischen Schriftsteller Robert Louis Stevenson (Bild) zugeschriebene Aphorismus passt zu Amazons Strategie.

(Bild: Gemeinfrei (Lichtbild von Henry Walter Barnett, 1893))

In einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten betonte Amazons Finanzchef Tom Szkutak mehrmals, was seine Firma nicht alles für neue Angebote, für niedrigere Preise und somit für die Kunden tue. Deren gibt es nun über 250 Millionen. Ihnen stehen mehr als zwei Millionen Verkäufer auf den Amazon-Webseiten gegenüber, die zuletzt 41 Prozent aller Waren verkauften (gerechnet in Stück inklusive digitale Medien). Im Schnitt hat jeder Kunde fünf Prozent mehr ausgegeben als vor einem Jahr. Doch für die Aktionäre schaut dabei auf absehbare Zeit wenig heraus.

Die Finanzanalysten hätten gerne gewusst, welche Faktoren konkret den Geschäftsverlauf im zweiten Quartal beeinflusst haben. Szkutak ließt sich nur zwei Beispiele entlocken. Die deutliche Preissenkung bei den Amazon Web Services sowie eine Erhöhung der Umsatzsteuer in Japan von fünf auf 8 Prozent. Letzteres hat die Kauflust der Japaner deutlich gebremst.

Szkutak sprach mehr darüber, dass Amazon weiterhin viel Geld investieren wird. In einen Ausbau der Amazon Webservices beispielsweise, deren Inanspruchnahme deutlich zunimmt. In neue Ausliefer- sowie Sortierzentren für schnellere Lieferung (für ein Viertel der US-Einwohner inzwischen auch Sonntags).

Oder in eigene Videoserien und Pilotfolgen. Letzteres wird im dritten Quartal über 100 Millionen US-Dollar kosten. Dass das nicht kapitalisiert sondern sofort als Ausgabe verbucht wird gibt einen Hinweis auf die Erwartung über den langfristigen Wert dieser Geldanlage.

Auch in eigene Endgeräte investiert Amazon laufend. Seit Donnerstag wird das Fire Phone in den USA ausgeliefert. Doch obwohl es auf amazon.com seit über einem Monat intensiv beworben wird, liegt es in der Elektronik-Bestsellerliste gegenwärtig nur auf Platz 22, einen Platz hinter dem Apple TV. Kein Wunder: Selbst wer den vollen Preis von 650 US-Dollar zuzüglich Steuer bezahlt, erhält ein Handy mit SIM-Lock auf AT&T.

Übrigens ist Amazons Personalstand stark gestiegen. Zur Jahresmitte hatte Amazon 132.600 fixe Mitarbeiter (Vollzeit und Teilzeit, aber ohne Werkverträge und temporäre Belegschaft). Mitte 2013 waren es 97.000. (ds)