Mit Weitblick: Fisheye- und Weitwinkelobjektive richtig einsetzen

Mit extremen Weitwinkeln gelingen bisweilen spektakuläre Bilder und ungewöhnliche Sichten auf die Welt des Kleinen ebenso wie des Großen. Dennoch sollte man Superweitwinkel und Fisheye-Objektive mit Bedacht verwenden.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Johannes Leckebusch
Inhaltsverzeichnis

Die Welt der Spinne

Im Fotokurs lernen Sie, dass man für Makroaufnahmen - beispielsweise von Insekten - längere Brennweiten (etwa 100 bis 180 mm) mit einem gebührenden "freien Arbeitsabstand" (das ist das, was nach der minimalen Einstellentfernung zwischen Film- bzw. Sensorebene und Motiv noch zwischen Frontlinse und Motiv übrigbleibt) verwenden soll, um die Tiere nicht aufzuschrecken, oder Licht abzuschatten. Tatsächlich ist bei der Spinnenaufnahme der "freie Arbeitsabstand" gerade mal 1,2 cm – das heißt, die Spinne sitzt schon fast auf der Frontlinse.

Entsprechend wenig amüsiert war sie von der Fotoaktion. Dafür kommt die weite Umgebung, statt in völliger Unschärfe zu versinken, einigermaßen erkennbar mit ins Bild – Die Spinne erscheint riesengroß, ihr Netz scheint den ganzen Inn zu überspannen. Um wirklich in die Welt des Kleinen einzutauchen, muss man sehr kurze Brennweiten verwenden. Freilich ist das kein Allgemeinrezept für übliche Makroaufnahmen, für ungewöhnliche Einsichten aber allemal.

Blechheiliger an einer Stahlbrücke, gesehen mit dem circular Fisheye von Sigma. (Rechts) Sozusagen "Normalansicht" mit einem Weitwinkel (17 mm äquivalent zu 28 mm KB).

Ähnlich dramatisch wie "Die Welt der Spinne" wirkt die Aufnahme des Brückenheiligen (Johann von Nepomuk) mit einem "circular Fisheye" von Sigma. Trotz des befremdlichen Stilbruches zwischen der Stahlkonstruktion der Brücke und dem Blechheiligen, suggerieren die geschwungenen Formen einen Zusammenklang, der sich nur mit der Kugelperspektive des Fisheye-Objektivs vollständig einfangen ließ. Im Vergleich dazu wirkt die Aufnahme mit einer gemäßigten Weitwinkelbrennweite von 17 mm und einem "linear" arbeitenden Objektiv recht brav.

Mit dem hier verwendeten 4,5 mm f/2,8 EX DC circular Fisheye von Sigma, das kreisrunde Bilder mit einem Blickwinkel von 180° in alle Richtungen aufzeichnet, ergeben sich mitunter aberwitzige Darstellungen – aber es ist auch schwierig, bei den Aufnahmen nicht die eigenen Füße mit ins Bild zu bekommen (worauf die Anleitung warnend hinweist).

Blick in ein Kirchenschiff. Die Kamera liegt auf dem Boden im Mittelgang, mit dem Objektiv zur Decke gerichtet. (Rechts) Bild quadratisch entzerrt.

Legt man die Kamera in einem interessanten Raum, etwa einer Kirche, rücklings auf den Boden, so dass das Objektiv in den "Himmel" schaut, lässt sich mit einem Schlag ein Kugelpanorama aufnehmen, das von den Fußbänken über den Haupteingang und den gegenüberliegenden Altar bis hin zur Decke schlichtweg alles zeigt. Bei dem gezeigten Bild verwendete der Fotograf einen mehrere Meter langen Drahtauslöser und versteckte sich hinter den vorderen Bänken.

"Die Quadratur des Kreises" besteht in diesem Fall darin, kugelperspektivische Aufnahmen per Software zu entzerren, so dass man wieder ein eckiges Bild erhält. Möglich ist das zum Beispiel mit dem DigitalPhotoShifter – allerdings auf Kosten der Schärfe am Rand und merkwürdiger Übergänge in den Ecken.