NSA-Skandal: ICREACH durchsucht Hunderte Milliarden Kommunikationsdaten

Die NSA betreibt für sich und andere US-Behörden eine Suchmaschine, die Hunderte Milliarden gesammelter Metadaten durchforstet – und jeden Tag kommen Milliarden hinzu. Die Enthüllung zeigt, wie leicht die Globalüberwachung ist.

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Mitarbeiter von 23 US-Behörden haben Zugriff auf eine bislang streng geheime Suchmaschine, die Hunderte Milliarden an Kommunikations-Metadaten aus aller Welt durchforstet. Wie The Intercept unter Berufung auf neue Snowden-Dokumente berichtet, wuchs der von dem System "ICREACH" durchsuchte Bestand schon im Jahr 2007 täglich um eine Milliarde bis zwei Milliarden Einträge. Bereits vor sieben Jahren lagen in den Datenbanken demnach mehr als 850 Milliarden Einträge, inzwischen dürften es aber um ein Vielfaches mehr sein; auch weil die NSA zusätzliche Mittel für den Ausbau des Systems im sogenannten schwarzen Budget beantragt hat.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Nachdem die Vorgängersysteme CRISSCROSS und PROTON den Ansprüchen der NSA und anderer US-Dienste nicht mehr genügt hätten, habe der damalige NSA-Chef Keith Alexander 2006 die Schaffung von Icreach angestoßen. Solch ein Suchsystem würde es ermöglichen, "Kommunikations-Metadaten in noch nie dagewesenem Umfang teilen und analysieren" zu können, schrieb er damals. Anderen Diensten würde sich eine "gewaltige, gutgefüllte Quelle an Informationen" zum Ausschöpfen eröffnen. Zugriff hätten inzwischen unter anderem Mitarbeiter der Drogenfahndungsbehörde DEA, des FBI, der CIA und des militärischen Nachrichtendienstes DIA. Alle beteiligten Behörden gehen demnach aber nicht aus den Dokumenten hervor.

Zwar können Analysten mit der Suchmaschine keine abgegriffenen Kommunikationsinhalte in Erfahrung bringen, aber auch die angezeigten Metadaten verraten jede Menge. Außerdem zeigt sich, was mit den immensen Datenmengen passiert, die etwa an Unterseekabeln abgegriffen werden. Nachdem das Vorgängersystem zu einem überwachten Telefonat auf Anfrage lediglich die beteiligten Telefonnummern, das Datum, die Uhrzeit und die Dauer anzeigte, kommt nun deutlich mehr zum Vorschein. Mit wenigen Klicks können etwa jede Menge Daten über die benutzte Technik, die Standorte der beteiligten Kommunikationspartner, SMS-Daten, aber auch E-Mail-Adressen und Chat-Nicknames ausgegeben werden. In Windeseile können so soziale Netze erstellt werden, die jede Menge über Zielpersonen verraten, ohne dass herangezogen wird, was sie am Telefon oder in einer E-Mail gesagt haben.

Die NSA-Suchmaschine (8 Bilder)

ICREACH soll "mehr Daten zugänglich machen".
(Bild: The Intercept)

Dem Bericht zufolge durchsucht Icreach Datenbanken, die unter Rückgriff auf eine präsidiale Befugnis (Executive Order 12333) aus den frühen 80er Jahren befüllt wurden. Dieser Teil der Überwachung – von dem vor allem Nicht-Amerikaner, also etwa Deutsche betroffen sind – findet ohne juristische Aufsicht und unter minimaler Kontrolle des US-Parlaments statt. Nachdem bekannt wurde, wie diese Verfügung aus einer Zeit weit vor dem Internet und moderner Kommunikation für eine weltweite Totalüberwachung genutzt wird, wurde auch in den USA Kritik daran laut. Zu der jüngsten Enthüllung mit Bezug dazu sagte nun Elizabeth Goitein von der New York University School of Law, es habe den Anschein, die US-Regierung sei "mit einem Truck" durch eine Gesetzeslücke gefahren.

Da es sich um Auslandsüberwachung handelt, werde die immense Datensammlung und deren leichte Durchsuchbarkeit intern auch gar nicht mit der oft angeführten Terrorabwehr begründet. Angesichts von Milliarden Kommunikationsvorgängen in aller Welt, zu denen Daten abgespeichert werden, wäre diese Argumentation aber auch gar nicht glaubhaft. (mho)