Russischer Nachrichtendienst überwacht E-Mail-Provider
Die Nachfolgeorganisation des KGB, der Nachrichtendienst FSB, will offenbar alle in Russland abgesendeten E-Mails kontrollieren.
Die Nachfolgeorganisation des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes KGB, der Nachrichtendienst FSB, arbeitet offenbar daran, alle in Russland verschickten E-Mails zu überwachen. Zu diesem Zweck versucht der FSB, die russischen E-Mail-Provider unter seine Kontrolle bringen. Das berichtet die evangelische Nachrichtenagentur idea. Demnach sollen alle Betreiber von Online-Servern in Russland gezwungen werden, auf ihren Systemen eine neue Software des Nachrichtendiensts zu installieren. Diese soll dem FSB jederzeit einen Zugriff auf alle Inhalte und technische Informationen ermöglichen. Sollten sich Provider weigern, die Spähsoftware zu installieren, werde ihnen die Lizenz entzogen. Der Kostenpunkt dieser Technik liege zwischen 20 000 und 60 000 Mark, was dazu führe, dass nur noch große Provider überleben könnten. Der FSB begründet seine neue Maßnahme mit dem Schutz vor Kriminalität im Internet.
In Fachkreisen hat die neue Anweisung sich schnell herumgesprochen. "Die russischen Provider müssen sich schon seit einigen Wochen beim Nachrichtendienst melden", berichtet Dr. Gerd Stricker, Russlandexperte des Schweizer Forschungsinstituts der Ostkircheneinrichtung "Glaube in der 2. Welt", gegenüber c't. Die Provider müssen sich mit der entsprechenden Stelle des Geheimdienstes, SORM-2, in Verbindung setzen. Das 1995 gegründete SORM (System für unmittelbare Ermittlungsmaßnahmen) dient der Überwachung von Kommunikationseinrichtungen, wie Telefon, Radio und Fernsehen. SORM-2 wurde als Erweiterung des bestehenden Systems installiert, um jetzt zusätzlich die digitalen Medien zu kontrollieren.
"Die russischen Online-Dienstleister haben eine lustige Weise, mit den Bestimmungen umzugehen. Sie machen einfach nur ein bißchen mit", erklärt Dr. Stricker. Das bedeutet, nachdem sich die Unternehmer bei der jeweiligen Stelle gemeldet haben, schickt ihnen der FSB seine Mitarbeiter. "Die Spezialisten von der Behörde haben jedoch nicht die technischen Kenntnisse, um alle Kontrollmöglichkeiten auszuschöpfen", meint Dr. Stricker. So können die Unternehmer sich der vollkommenen Kontrolle noch ein wenig entziehen. Wenn sich dies jedoch ändern sollte, könnten wohl auch Wirtschaftsgeheimnisse ausgekundschaftet werden. Jim Dempsey, Chef des Zentrums für Demokratie und Technologie in Washington, nimmt diese Bestrebungen sehr ernst: "Mit SORM-2 geht Russland weiter als jedes andere Land in dem Bemühen, private Bereiche des Internet zu observieren."
Dass der Nachrichtendienst noch Personal sucht, geht deutlich aus seiner offiziellen Homepage hervor. Wörtlich steht dort: "Russische Staatsbürger, die bisher mit ausländischen Aufklärungsdiensten zusammengearbeitet haben, können sich mit dem FSB Russland über ein Vertrauenstelefon in Verbindung setzen, um Doppelagenten zu werden. In diesem Fall wird die Belohnung, die jene Bürger von den ausländischen Spezialeinrichtungen bekommen, im vollen Umfang verwahrt. Mit dem Geld werden höchste Mitarbeiter des FSB arbeiten. Außerdem ist völlige Anonymität und Vertraulichkeit gewährleistet."
Weiter heißt es auf der Webseite: "Personen, die ein Verbrechen wie beispielsweise Spionage oder Umsturzversuch begangen haben, werden von strafrechtlicher Verantwortung befreit, wenn sie freiwillig und rechtzeitig den Staatsorganen Mitteilung machen oder auf ähnlichem Weg zur Abwehr weiterer Schäden für Rußlands Interessen beitragen ..." (bid)