Amazon.com: Das Ende der Fahnenstange?
Nach den Entlassungen beim amerikanischen Online-Shop Amazon befĂĽrchten Analysten, dass die Internet-Ă–konomie vor einer Gesundschrumpfung steht.
Der amerikanische Online-Händler Amazon gilt als Pionier der so genannten Internet-Ökonomie. Nun hat die als Online-Buchladen gestartete Firma eine weitere Pioniertat vollbracht: Entlassungen, bislang bei den hoffnungsvollen dot.com-Companies ein kaum zu beobachtendes Phänomen. Amazon wirft 150 Mitarbeiter hinaus, zwei Prozent der bislang 7500 Angestellten.
Dies erscheint auf den ersten Blick nicht der Rede wert -- bei der Ankündigung dieser Maßnahme erklärte Amazon-Sprecher Bill Curry allerdings, dass sie nicht auf Grund von Nachfragerückgängen nach dem Weihnachtsgeschäft oder anderen, Saison-bedingten Fluktuationen ergriffen werde. Die Entlassungen seien aber kein Zeichen für eine Änderung im Geschäftskonzept von Amazon, betonte Curry: "Wir setzen unseren Weg fort, der führende Anlaufpunkt für E-Commerce zu sein, wo die Leute alles finden und entdecken können, was sie im Internet kaufen wollen."
Gleichzeitig aber warnte Amazon wieder davor, dass die Umsätze im vierten Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres zwar gestiegen seien, die Verluste aber sogar wachsen würden. Den vollständigen Geschäftsbericht will Amazon am 2. Februar 2000 vorlegen. Gewinn hat Amazon noch nie seit seinem Bestehen gemacht -- bislang vertritt Amazon-Chef Jeff Bezos die Ansicht, die Verluste seien kein Problem. Erst müsse investiert werden, um den Markt zu besetzen, dann könne man über Gewinne nachdenken: "Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir werden später über den Ausgleich der Konten nachdenken", erklärte Bezos schon einmal kategorisch.
Marktbeobachter scheinen allerdings davon auszugehen, dass diese von den meisten Neugründungen der Internet-Ökonomie verfolgte Strategie an ihre Grenzen stößt. Bislang konnten die Aktienkurse der reinen E-Commerce-Firmen stetige Steigerungen verbuchen, obwohl kaum ein Unternehmen schwarze Zahlen schrieb. Diesen Wechsel auf die Zukunft möchten die Börsianer nun offensichtlich langsam eingelöst sehen. Der Kurs des Amazon-Papiers fiel fast um die Hälfte auf rund 61,7 US-Dollar seit dem Höchststand von 113 US-Dollar im Dezember.
Neben Amazon kündigten einige andere Online-Shops wie Beyond oder Value America in den letzten Tagen Restrukturierungen an -- in der Regel ein Euphemismus für Entlassungen und den Versuch, finanzielle Probleme in den Griff zu bekommen. Analysten befürchten nun, dass der Internet-Ökonomie eine Gesundschrumpfung bevorsteht. Die Entlassungen bei Amazon interpretieren Börsianer daher bereits als deutliches Signal: "Investoren sollten darüber erfreut sein", kommentierte Tom Wyman von J. P. Morgan laut AP. "Ich betrachte dies als sehr positives Zeichen, dass das Management-Team darauf vorbereitet ist, unangenehmen Entscheidungen zu treffen." Wyman verwies dabei explizit auf Amazons neuen Finanzmanager Warren Jenson, der früher für Delta Airlines und die TV-Company NBC arbeitete. (jk)