Stehende Ovationen und bohrende Fragen

Microsoft ist "gewillt, einen langen Weg zu gehen, um den WĂĽnschen der Regierung zu entsprechen", so Bill Gates.

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Von
  • Wolfgang Stieler

Auf der Hauptversammlung der Microsoft-Anteilseigner wurde der Vorstand mit stehenden Ovationen empfangen. Die Microsoft Führungsriege musste sich allerdings auch zahlreichen Fragen zum Stand des Anti-Trust-Verfahrens stellen. Herbe Kritik musste vor allen Dingen Microsofts Chef-Verteidiger William Neukom einstecken. Ein Aktionär verlangte seinen Rücktritt.

Ein großer Teil der Aktionäre beschränkte sich allerdings darauf, eine außergerichtliche Einigung zu fordern. Microsoft-Chef Bill Gates legte nach Einschätzung von Beobachtern die Messlatte für eine solche Einigung erneut höher: Microsoft sei "gewillt, einen langen Weg zu gehen, um den Wünschen der Regierung zu entsprechen", sagte Gates. Man werde aber keine Regelung akzeptieren, die es Microsoft verbiete, Windows mit neuen Internet-Funktionen auszustatten, oder den PC-Herstellern grundsätzliche Änderungen am Windows-Desktop erlauben.

Unterdessen diskutieren die Anklagevertreter weiterhin über mögliche Sanktionen. Die juristische und politische Gratwanderung ist schwierig, schließlich soll Microsoft durch die Sanktionen nur am weiteren Missbrauch seiner Monopolstellung gehindert werden; das Monopol an sich verstößt aber nicht gegen die Anti-Trust-Gesetze. Falls das Gericht über dieses Ziel hinausschießt, würde das Urteil sehr wahrscheinlich von der nächsten Instanz wieder kassiert.

Die Diskussion konzentriert sich auf drei Modelle: Eine Aufspaltung von Microsoft in eine Betriebssystem- und einen Anwendungs-Einheit, eine Teilung in mehrere Mini-Microsofts oder den Zwang zur Offenlegung von Betriebsgeheimnissen wie etwa des Windows-Quellcodes.

Die Trennung in eine selbstständige Betriebssystem- und eine Anwendungs-Produktion ließe Microsoft immer noch erhebliche Marktmacht und würde eine strenge Überwachung erfordern. Die Zerschlagung des Gates-Imperiums in mehrere kleine Unternehmen nach dem Vorbild des Telefonriesen AT&T ("Ma Bell") in kleinere "Baby Bills" würde die Marktmacht des Software-Riesen zunächst empfindlich beschneiden. Aber auch diese radikale Lösung müsste durch zusätzliche Kontrollen abgesichert werden. Als wettbewerbs- und konkurrenzfördernd gilt die Idee, Microsoft müsse den Quellcode seines Betriebssystems an Wettbewerber lizenzieren. Die Konkurrenten könnten eigene Windows-Clones auf den Markt bringen, die alle kompatibel zu einem Standard wären. Niemand könnte Microsoft dann allerdings daran hindern, eine neue, nicht-kompatible Betriebssystem-Version auf den Markt zu bringen. (wst)