EU-Datenschutzreform: Arbeitnehmer haben das Nachsehen

Arbeitsrechtler empfehlen, den Beschäftigtendatenschutz derzeit besser nicht auf EU-Ebene oder national zu regeln. Die vom EU-Parlament beschlossene Initiative bleibe weit hinter der deutschen Rechtsprechung zurück.

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Scharfe Kritik an der Position des EU-Parlaments für eine Datenschutz-Grundverordnung übte der Frankfurter Arbeitsrechtler Peter Wedde. "Was wir national verhindern wollten, kommt durch die EU-Hintertür wieder rein", warnte der Professor auf dem Gewerkschaftskongress "Arbeitswelt, Selbstbestimmung und Demokratie im digitalen Zeitalter" in Berlin. Wenn die Initiative so in Kraft trete, "wird sich Rechtslage hierzulande massiv verschlechtern".

Gerold Reichenbach (links) und Peter Wedde

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

Wedde liest etwa aus dem vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen Computer-Grundrecht ein Verbot heimlicher Durchsuchungen auch von Mitarbeiter-PCs heraus. Der Jurist betonte, dass eine solche Rechtsprechung mit der geplanten Reform genauso aufgehoben würde wie ausgefeilte hiesige Urteile zum Schutz von Arbeitnehmerrechten.

Zudem entwerte der aktuelle Entwurf die eigentlich geforderte "freiwillige Einwilligung" von Beschäftigten in die umfassende Datenerhebung durch Arbeitgeber, führte Wedde aus. Diese Klausel würde nur funktionieren, wenn ein Nachweis für die "Freiwilligkeit" erbracht werden müsste. Eine Klausel, wonach Chefs Daten ihrer Mitarbeiter bei Verdacht auf Straftaten und "schwerwiegende Pflichtverletzungen" dokumentieren dürften, öffne zudem einer weitflächige Überwachung Tür und Tor. Auch dem innerbetrieblichen "Datenschaufeln" von einer Firmentochter zur nächsten hätten die Abgeordneten nichts entgegengesetzt.

Der Experte plädierte deswegen dafür, den Beschäftigtendatenschutz besser gar nicht in der Verordnung zu regeln. Auch von einem neuen nationalen Anlauf sei nach dem jüngsten enttäuschenden schwarz-gelben Entwurf, der umfassende Überwachungsmöglichkeiten von Arbeitnehmern weitgehend legalisiert hätte, auch in der großen Koalition wenig Verbesserung zu erwarten.

Jan Philipp Albrecht (links) und Ralf-Peter Hayen

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

Ähnliche "Kröten" machte Ralf-Peter Hayen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) im Parlamentspapier aus. Vor allem durch Betriebsvereinbarungen könnten auf dessen Basis Schutzstandards unterlaufen werden. Von einem solchen Ansatz könne dann nicht mehr abgewichen werden.Der Gewerkschaftler unterstützte daher den Vorstoß von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), eine Öffnungsklausel für höhere nationale Standards etwa beim Arbeitnehmerdatenschutz zu schaffen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach bestätigte, dass es in dem Entwurf Datenschutz-Schlupflöcher gebe, durch die man ganze Elefantenherden durchtreiben könne. Es sei zu befürchten, dass es immer mehr Individualverträge fürs Arbeiten in der Cloud gebe, bei denen das Datensammeln wie bei Facebook über die Geschäftsbedingungen abgeklickt werden müsse. Mit Big Data und der Industrie 4.0 werde es noch viel stärker um die Einwilligungsfrage gehen, da Arbeitnehmer die anfallenden riesigen Datenmengen zur Leistungskontrolle nutzen wollten.

Jan Philipp Albrecht, Berichterstatter im federführenden Innenausschuss des EU-Parlaments, gab zu bedenken, dass es in vielen EU-Ländern bislang noch gar keine Bestimmungen zum Beschäftigtendatenschutz gebe. Nun sei darauf zu achten, dass im Rat die von der Bundesregierung gewünschte Klarstellung erfolge, dass es für nationale Regelungen in diesem Bereich keine Obergrenze gebe. (mho)