Online-Werbung: Der Fluch der Messbarkeit

Online-Werbung hat ein Problem: Obwohl sie sich genau vermessen lässt, sind viele Kunden nicht von ihrer Wirksamkeit überzeugt. Jetzt soll nur noch für Werbung gezahlt werden, die tatsächlich von Menschen gesehen wird.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 160 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Trotz der steigenden Ausgaben für Onlinewerbung herrschte auf der Kölner Fachmesse dmexco Krisenstimmung. Denn keine Seite scheint mit dem derzeitigen Modell zufrieden zu sein: Seitenbetreiber beklagen sich über die Werbeflut, die sie zur Finanzierung in ihre Angebote integrieren müssen, Werbekunden wollen nicht für unwirksame Werbung zahlen, Media-Agenturen befürchten durch den automatisierten Handel und Konzerne wie Facebook ausgebootet zu werden.

Twitter konnte die Wirksamkeit seiner Werbemaßnahme auf der dmexco gut messen, und zwar an der Anzahl der ausgegebenen T-Shirts, Regenschirme und anderer Gimmicks.

(Bild: heise online/ Jo Bager)

Ein neues Maß soll dem Onlinewerbemarkt eine neue Grundlage geben. Da die Klickraten auf Banner sich im Promille-Bereich bewegt, zahlen viele Werbekunden pro Anzeige einer Werbung. Das Problem dabei: In der hochgradig verschachtelten Onlinewerbeindustrie behält niemand den Überblick, auf welchen Seiten konkret Werbung angezeigt wird und wie wirksam diese Werbung ist. Die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) hatte deshalb im vergangenen Jahr mit scharfen Worten eine bessere Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Werbeformen gefordert.

Das Misstrauen ist groß: So hatte vor der dmexco eine Studie für Aufsehen gesorgt, wonach viele bezahlte Videospots tatsächlich nicht angezeigt würden -- der Online-Vermarkterkreis (OVK) wies diesen Vorwurf jedoch scharf zurück.

Eine Antwort auf die Qualitätsfrage ist der Standard der "Viewability", der die Sichtbarkeit von Anzeigen beim Endkunden sicherstellen soll. Das amerikanische Interactive Advertising Bureau (IAB) hatte im Frühjahr einen Standard verabschiedet: Eine Anzeige kann demnach nur abgerechnet werden, wenn mindestens 50 Prozent des Werbemittels für eine Sekunde auf dem Bildschirm eines menschlichen Nutzers zu sehen war. Neue Tracking-Techniken werden bereits in die Adserver integriert, um die "Viewability" exakt zu messen.

Der Standard hat bereits Einfluss auf die Praxis -- zumindest in den USA. "Die Kunden wollen nur noch für sichtbare Anzeigen bezahlen und schreiben dies auch in die Verträge", erklärte Brian Murphy von Integral Ad Science, einem Spezialisten für die Messung von Werbewirksamkeit, auf der dmexco. Zwar sind nicht alle mit dem Standard zufrieden -- manche Vermarkter bestehen darauf, dass die Anzeigen zu 100 Prozent sichtbar sein müssen -- doch als absolute Mindestschwelle wird der neue Standard akzeptiert.

Die Werbeverkäufer befürchten jedoch, dass sie mit den neuen Standards weniger Werbebanner bezahlt bekommen, ohne dass der Preis für die sichtbare Werbung wesentlich steigt. Auf der dmexco vorgeschalteten Konferenz Online Ad Summit beklagte der bei der Deutschen Telekom für T-Online.de zuständige Manager Ralf Baumann, dass Seitenbetreiber heute keine andere Chance hätten als ihre Angebote mit Werbebannern zu überfrachten: "Wenn wir die Werbelast herunternehmen, sehen wir, dass sich die Werbewirkung drastisch erhöht." Doch die Werbekunden seien derzeit nicht bereit entsprechend höhere Preise zu zahlen. "Wir würden es gerne mit viel, viel weniger Werbung versuchen", sagte Baumann.

Ein Gewinner der Debatte könnten die Anbieter von so genannter "nativer Werbung" sein. "Wenn native Werbung im normalen Newsfeed erscheint, ist sie nicht nur sichtbar, sondern es ist auch wahrscheinlicher, dass sie tatsächlich wahrgenommen wird", sagte Justin Choi vom Anbieter Nativo auf der dmexco. Da die Werbung in Form von Artikeln oder Videos auch im Mobilbereich besser funktioniert als Werbebanner zeigen sich in Köln auch Vertreter deutsche Redaktionen interessiert, solche Werbung in ihre Angebote zu integrieren. (jo)