Barroso: CETA kommt sicher
Gestern wurden in Otawa die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, für abgeschlossen erklärt. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel fordert jedoch Nachverhandlungen.
EU Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Ratspräsident Herman van Rompuy und der kanadische Premierminister, Stephen Harper, erklärten gestern die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA (Canada-EU Comprehensive Economic and Trade Agreement), dessen Text bereits seit Mitte August einsehbar ist, für offiziell abgeschlossen. Der Freihandelsvertrag regelt unter anderem Urheber und Patentrechte – so etwa auch die Strafbarkeit des Abfilmens im Kino oder das Knacken von DRM-Kopierschutztechniken. Beide Partner befürworten nun eine rasche Ratifizierung des von Barroso und Harper als historisch bezeichneten Abkommens, heißt es in der beim Gipfeltreffen der beiden Partner verabschiedeten Ottawa-Erklärung.
Nachverhandlungen forderte diese Woche jedoch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Bundestag – und nun wackelt auch noch die notwendige Mehrheit im Europäischen Parlament. Fachleute halten das für brisant, denn CETA gilt auch als Testlauf für das derzeit noch in den Verhandlungen steckende TTIP-Abkommen der EU mit den USA.
CETA ist nicht nur das erste Freihandelsabkommen mit einem der G7-Länder, es setze einen neuen Standard für diese Art von Handelsabkommen, sagte der scheidende EU-Kommissionspräsident bei einer Pressekonferenz. Barroso lobte CETA als “derzeit fortschrittlichstes Abkommen überhaupt, wenn es um die Integration der Märkte geht”. Unter anderem sieht es die Abschaffung praktisch aller Zollschranken für den Güterverkehr vor. Auch die öffentlichen Beschaffungsmärkte werden künftig für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantik geöffnet.
Ratifizierung mit HĂĽrden
Zur Ratifizierung in der EU wird der Text (PDF-Dokument) jetzt in die Amtsprachen der 28 Mitgliedsstaaten ĂĽbersetzt. Der Ratifizierungsprozess soll dann bis 2016 abgeschlossen sein, sagte Barroso. Allerdings gab es in den vergangenen zwei Wochen bereits erheblichen Widerspruch gegen eine einfache Ratifizierung.
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte vergangene Woche eine Studie präsentiert, die zum Ergebnis kommt, dass jedes einzelne Mitgliedsland direkt zustimmen müsse. Es handele sich bei CETA nämlich um ein "gemischtes Abkommen", das nicht allein von der EU verabschiedet werden könne. Das würde bedeuten, dass die nationalen Parlamente der 28 Mitgliedsstaaten dem Freihandelsabkommen zustimmen müssten. Genau dieses Verfahren trug zuletzt mit zum Scheitern des umstrittenen Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) bei.
Nachverhandlungen forderte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel überdies mit Blick auf die umstrittenen außergerichtlichen Schlichterverfahren für Investoren (Investor-State Dispute Settlement, ISDS). Unternehmen können Staaten dabei verklagen, wenn sie ihre Investitionen etwa durch neue Regulierung bedroht sehen.
Das Gutachten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der durch CETA gewährte Schutz kanadischer Investitionen in einigem Punkten hinter deutschen und europarechtlichen Bestimmungen zurückbleibe. "Der gesetzgeberische Handlungsspielraum zum Schutz öffentlicher Interessen wie nationale Sicherheit, Umwelt, öffentliche Gesundheit ist damit gewahrt", heißt es im BMWi. Die Bundesregierung wolle aber, wie die Grünen im Europaparlament diese Woche erklärten, weitere Ausnahmen, etwa für Schuldenschnitte oder Bail-Outs.
Europaparlament kritisch gegenĂĽber ISDS
Gegenwind bekommt die designierte Handelskommissarin Cecilia Malmstroem jedoch auch aus dem Europäischen Parlament. Nicht nur die Fraktion der Grünen und Linken, sondern auch die Sozialdemokraten mahnten Malmstroems Vorgänger und noch amtierenden Handelskommissar Karel de Gucht, der jetzt vorliegende Text erfordere eine Nachbesserung, insbesondere auch wegen ISDS. Allein mit den Stimmen der Konservativen kann CETA das Parlament nicht passieren. Die Abgeordneten im Europaparlament kritisierten darüber hinaus erneut die mangelnde Transparenz der Verhandlungen. Nach fünf Jahre währenden Verhandlungen kann das Parlament am Ende das Abkommen nur als Ganzes annehmen oder ablehnen.
In der Pressekonferenz gestern konterte Barroso die Frage eines deutschen Journalisten nach dem Widerstand des Bundeswirtschaftsministers mit dem Hinweis darauf, dass alle 28 EU-Mitgliedsstaaten nicht nur das Mandat, einschließlich von ISDS, einstimmig beschlossen haben, sondern auch die gestrige Ottawa-Erklärung. Er habe deswegen auch keinen Zweifel, dass CETA ratifiziert werde, versicherte Barroso. (pen)