.bayern ist am Netz

Mit .bayern geht die erste Top Level Domains eines Bundeslandes ans Netz. Hinter dem Betreiber steht ein Finanzinvestor mit Sitz auf den britischen Jungferninseln.

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Von
  • Stefan Mey
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Seit Dienstagmittag werden die neuen .bayern-Adressen vergeben. Zuvor haben sich in der "Sunrise-Phase" etwa 100 Markeninhaber ihre Adressen gesichert. Gleichzeitig fand eine regionale "Landrush"-Phase statt, in der umkämpfte Domains versteigert wurden, wobei Interessenten mit einer Postleitzahl in Bayern stets Vorrang hatten. Laut .bayern-Betreiber Bayern Connect sind so 350 Adressen vergeben worden. Einige "Premium-Domains" werden noch zurückgehalten und zu höheren Preisen vergeben. Hier soll nach Auskunft der Betreiber auch darauf geschaut werden, dass die Inhalte einer Website den jeweiligen Domainnamen widerspiegeln.

(Bild: nic.bayern)

Hinter der Münchener Bayern Connect GmbH steht eine Unternehmensgruppe mit Sitz auf den britischen Jungferninseln. Die Mind + Machines Group (bis vor kurzem als Top Level Domain Holdings bekannt) hält 80 Prozent der Anteile an Bayern Connect, 5 Prozent hält der Geschäftsführer Caspar von Veltheim und 15 Prozent als "Schirmherr" der als "Poldi" bekannte Leopold Prinz von Bayern. Die Mind + Machines Group hat sich insgesamt um knapp 70 TLDs beworben. In Deutschland steht sie hinter .nrw und hat sich über Tochterfirmen zudem für den Betrieb der Städte-TLD .hamburg und .berlin interessiert. Bei der Vergabe der erforderlichen Unterstützungsschreiben durch die Stadtverwaltungen hat sie aber den Kürzeren gezogen.

Durchgesetzt hatte sich die Tochter des globalen Massenbewerbers in Bayern gegen eine Initiative des Münchner Anwalts Markus Bahmann. Der hatte zusammen mit dem .berlin-Gründer Dirk Krischenowski im Jahr Jahr 2007 zuerst den Verein dotbayern e.V. gegründet. 2010 folgte die PunktBayern GmbH & Co. KG. Gesellschafter waren er und Krischenowski, der deutsche Konzern United Domains und dessen Konzerntochter InternetX. Der Verein hielt ein Prozent der Anteile, den Rest haben sich drei bayerische Telefonbuchverlage geteilt.

Die Vergabe lief ungewöhnlich ab, erinnert sich Bahmann. Am 7. Januar 2012 informierte ihn eine E-Mail des bayerischen Finanzministeriums über die Vergabe an Bayern Connect. Drei Stunden später wurde die Entscheidung per Mail widerrufen. Dann wurde er informell per Telefon gefragt, ob er gegen die Entscheidung juristisch vorgehe, was Bahmann verneinte. Am 10. Januar kam dann die endgültige Mail mit gleicher Botschaft: das Unterstützerschreiben geht an Bayern Connect. In einem offiziellen Statement akzeptiert Bahmann die Entscheidung des Freistaats und wünscht Bayern Connect viel Glück.

Die Pressestelle der Bayerischen Staatskanzlei nennt als Grund für die Vergabe, dass Bayern Connect in Bezug auf das Konzept und die Beteiligung des Freistaates das deutlich bessere Angebot gemacht habe. Es handelte sich um eine "Umsatzbeteiligung in angemessener Höhe".

Ulrike Gote

Die Grünenpolitikerin im bayerischen Landtag Ulrike Gote hatte im Januar 2012 eine kleine Anfrage zur Vergabe gestellt und gefordert, das ganze "wegen massiver Ungereimtheiten" rückgängig zu machen. Gote kritisiert die Vergabe noch heute: "Es kann nicht sein, dass Jahre nach der Ausschreibung die Zahlen zur Gewinnbeteiligung des Freistaats immer noch als Geschäftsgeheimnis gelten." Ebenso wenig gebe es nähere Angaben über den angeblichen "Beirat" der Bayern Connect, in dem gesellschaftliche Interessengruppen und Verbände Gehör finden sollten sowie den angekündigten "Fonds".

Bayern Connect hatte anfangs angekündigt, dass ein Teil der Einnahmen an soziale und kulturelle Organisationen in Bayern fließen soll. Das stand auf deren Webseite, wie sich noch in Medienberichten rekonstruieren lässt. Die Frage, was aus dem Plan geworden ist, lässt Bayern Connect unbeantwortet. Der Beirat hingegen war integraler Teil der Ausschreibung. Nach Auskunft des Finanzministeriums soll er noch in diesem Jahr gegründet werden. Gote hat in einer neuen schriftlichen Anfrage die Landesregierung um Details zum Beirat, zur Gewinnbeteiligung des Freistaates und dem Verbleib des Fonds gebeten. Bis Ende der Woche erwartet sie eine Antwort. Insgesamt ist sie überzeugt: "Die Staatsregierung hat sich mit der Auswahl der Bayern Connect GmbH keinen Gefallen getan."

Von Veltheim, Geschäftsführer von Bayern Connect, ist hingegen guter Dinge und hofft, dass die TLD des Freistaates in Bayern ankommt: "Wir wünschen uns positive Effekte für die regionale Wirtschaft, mit neuen Geschäftsideen und einer regionalen Identifikation im Internet von Unternehmen, Organisationen und natürlich Privatpersonen." Ein Verkauf der Bayern Connect durch die an der Londoner Börse gehandelte Muttergesellschaft sei selbstverständlich nicht vorgesehen, beruhigt er: "Die Bayern Connect GmbH wurde 2009 mit dem Ziel gegründet .bayern zu betreiben – und das auch langfristig."

[Update 30.09.2014 – 13:55 Uhr] Ein Fehler bezüglich der Anteile an Bayern Connect wurde korrigiert, genauso wie die Anzahl der beantragten TLDs der Mind + Machines Group. Außerdem wurde das Datum der Vergabe-E-Mail berichtigt.

[Update 2.10.2014 – 12.15 Uhr] Mittlerweile liegt heise online eine Antwort auf die Anfrage vor: "Der Freistaat Bayern ist nicht am Gewinn, sondern in Höhe von 35 Prozent am Umsatz des Betreibers beteiligt. Nordrhein-Westfalen hat beispielsweise lediglich eine Umsatzbeteiligung von 20 Prozent an '.nrw'." (anw)