Bakterienjäger aus Pappe

Ein kostengünstiges Gerät aus einfachen Materialien soll künftig Infektionskrankheiten entdecken.

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Von
  • Christoph Seidler

Ein kostengünstiges Gerät aus einfachen Materialien soll künftig Infektionskrankheiten entdecken.

Am Anfang der Erfinderkarriere von Manu Prakash stand ein Streit. Für sein erstes selbst gebautes Mikroskop hatte der junge Inder die Brille seines älteren Bruders gestohlen. Die Linsen hatte er anschließend in eine Pappröhre eingebaut, in der die Familie zuvor die Federbälle eines Badmintonspiels aufbewahrt hatte.

Doch der scheinbar so vielversprechende Versuchsaufbau brachte zunächst nicht das gewünschte Ergebnis, weil der Bruder einschritt: "Es hat nicht funktioniert, weil ich die Brille nicht besonders lange hatte", erinnert sich Prakash, der mittlerweile am Department of Bioengineering an der Stanford University arbeitet – und dort immer noch Mikroskope baut.

Inzwischen jedoch hat er sein Ziel erreicht: das billigste Mikroskop der Welt zu entwerfen. Von dem jungen Forscher mit dem wilden Wuschelhaarschnitt stammt das "Foldscope", das die Diagnose von Infektionskrankheiten in Entwicklungsländern revolutionieren könnte. Es besteht – wie einst Prakashs erstes Modell – zu großen Teilen aus Karton. Doch statt einer Brille kommen nun Mikrolinsen aus Plastik zum Einsatz, die eine bis zu 2000-fache Vergrößerung liefern können. Damit würden Krankheitserreger sichtbar – zum Beispiel der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum.

Als Bausatz können selbst Kinder das Gerät innerhalb weniger Minuten zusammensetzen. Eine gedruckte Anleitung gibt es nicht, Farbmarkierungen auf dem Bastelbogen sind selbsterklärend. Einmal zusammengefaltet, ist das Origami-Mikroskop sieben Zentimeter lang sowie zwei Zentimeter breit und zwei Millimeter hoch. Es wiegt nur neun Gramm, und seine Bauteile – neben Karton und Plastiklinse sind das eine LED, eine Knopfzelle und ein Schalter – kosten zusammen weniger als einen Dollar.

Präpariert wird die zu untersuchende Probe auf einem Objektträger aus Glas – ganz wie bei einem klassischen Mikroskop. Man schiebt den Objektträger in das Foldscope hinein und hält es anschließend unmittelbar vor die Augen, bis die Augenbrauen das Papier berühren. Anschließend kann die Linse mit dem Daumen bewegt werden, um den Fokus einzustellen.

Die LED sorgt mit einer Batterie für bis zu 50 Stunden Beleuchtung, im Freien sollte aber auch das Tageslicht ausreichen. Zugleich ist sein Gerät außergewöhnlich robust. Notfalls könne man es aus dem dritten Stock eines Gebäudes werfen, ohne dass es Schaden nehme. Bei öffentlichen Vorträgen geht der Erfinder sogar noch weiter: Er trampelt vor den Augen seiner Zuschauer darauf herum.

"Ich liebe Einfachheit – und es braucht eine Weile, um die einfachst mögliche Lösung für ein Problem zu finden", sagt Prakash. Die Idee für das Billig-Mikroskop sei ihm in Thailand und Indien gekommen. "Reisen erlauben so wunderbare Blicke auf die Welt. Man lernt dabei genau, welche Probleme auf welche Weise gelöst werden müssen." Seine Arbeit wird von zahlreichen US-Stiftungen unterstützt, darunter der Gates Foundation.

Mit den Mitteln will er die Leistungsfähigkeit des Mikroskops verbessern, medizinisches Personal in Entwicklungsländern ausbilden und letztlich seine Erfindung in Millionenauflage herausbringen.

Auch in Industrieländern soll das Foldscope zum Einsatz kommen – zum Beispiel, um Kindern wieder das Staunen über die Natur zu lehren. "Ich möchte 'mikroskopiere es mal' zu einem Ausdruck machen, den man am Abendbrottisch sagt, genau wie man 'google es mal' sagt." (bsc)