Time Warner kündigt Netflix-Konkurrenten an

Unter der Pay-TV-Marke HBO wird Time Warner nächstes Jahr in den USA ein Streaming-Angebot auf den Markt bringen. Später soll es international werden. Das skandinavische HBO Nordic kann bisher nicht mit Netflix mithalten.

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Im kommenden Jahr will Time Warner in den USA einen kostenpflichtigen Onlinedienst für Videostreams auf den Markt bringen. Er soll unter der Marke HBO (Home Box Office) laufen und später auch in andere Länder ausgeweitet werden. Dies hat HBO-Chef Richard Plepler am Mittwoch auf einem Investorentreffen angekündigt. Damit tritt HBO in direkte Konkurrenz zu Netflix.

US-Präsident Barack Obama ist ein Fan der HBO-Serie "Game of Thrones". Das Weiße Haus hat dazu diese Fotomontage veröffentlicht.

(Bild: White House (gemeinfrei))

Das Aufsehen in den USA ist groß, denn HBO bricht mit einer Tradition. Bisher gab es HBO-Bezahlfernsehen nur in Kombination mit einem teuren Kabelanschluss oder via Satellit. Gut 30 Millionen US-Haushalte haben ein HBO-Abo. Bleiben gut 80 Millionen Haushalte ohne HBO.

Der Grund für die neue Strategie liegt in veränderten Konsumgewohnheiten der Amerikaner. Jahrzehntelang haben die meisten US-Haushalte Kabel-TV bezogen. Gebühren von 100 US-Dollar monatlich sind dabei völlig normal. In den jüngsten Jahren verzichten aber immer mehr Amerikaner auf Kabelfernsehen, nicht jedoch auf Breitband-Internet.

Sie werden "Cordcutter" ("Kabelzerschneider") genannt. Häufig handelt es sich um neue Haushalte, die sich erst gar kein Kabel-TV zulegen. Und wer weder Kabel noch Sat hat, kann Time Warners Pay-TV bislang nicht kaufen. Zehn Millionen solcher Haushalte soll es inzwischen geben. Weil es laufend mehr werden, riskiert Time Warner Konflikte mit seinen besten Kunden, den Kabelbetreibern. Die haben natürlich kein Interesse daran, ihr Zugpferd HBO auch im Internet zu finden.

Übrigens sitzen die Cordcutter bisweilen auch am anderen Ende der Leitung. Eine Reihe kleiner und kleinster Kabelnetzbetreiber in den USA haben ihr Bezahlfernseh-Angebot eingestellt oder reduziert. Sie können sich die zunehmend teureren Rechte nicht mehr leisten. Weil es hier aber nur um vergleichsweise weniger Haushalte geht, schmerzt das Time Warner bisher nicht.

Mutiger ist schon der programmierte Interessenkonflikt mit den großen Kabelbetreibern. Um diese nicht zu sehr zu verärgern, könnte sich der neue HBO-Webdienst auf ältere Serien und Filme konzentrieren oder neue Folgen erst mit gewisser Verzögerung bereitstellen. Doch dieser Weg ist gefährlich. Wenn HBO draufsteht erwarten die Verbraucher auch HBO. Und nicht HBO vom Vorjahr.

Hier sollte HBO die Lehren ziehen, die er in Nordeuropa gemacht hat. In Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen betreibt der Konzern seit Ende 2012 einen kostenpflichtigen Streamingdienst namens HBO Nordic. Der Preis des Jahresabo orientert sich am Netflix-Tarif.

Allerdings wurden zu Beginn gemachte Versprechen nicht eingehalten. Das Angebot an Unterhaltung entspricht nicht den geweckten Erwartungen und technische Einschränkungen verärgern die Kunden. Ergebnis: HBO Nordic zählte Mitte 2014 380.000 Kunden, Netflix hat in den vier Ländern schon 2,14 Millionen Abonnenten. Andererseits sagt Time Warner, dass die Zahl der skandinavischen HBO-Abonnenten über klassische Kanäle zugenommen hat.

Netflix hat schon lange mit dem neuen Mitbewerber gerechnet. "Das Ziel ist, schneller HBO zu werden, als HBO Netflix wird", hat Netflix-Chef Reed Hastings schon Anfang 2013 zur Zeitschrift GQ gesagt. Entsprechend intensiv investiert Netflix in Eigenproduktionen wie "House of Cards" und "Orange is the New Black".

Bei Amazon sieht die Sache anders aus. Zwar gibt es auch dort Eigenproduktionen, aber große Teile des Prime-Streamingkatalogs in den USA sind lizenzierte HBO-Produktionen. Gut möglich, dass diesmal Time Warner den Stecker zieht, um Prime-Nutzer abzuwerben.

Hausinterne Konflikte sind hingegen keine zu erwarten. Der Kabelnetzbetreiber Time Warner Cable ist schon seit fünf Jahren nicht mehr Teil des Time Warner Konzerns. Auch der Internetprovider AOL und die Verlagsgruppe Time Inc. wurden abgespalten. Die verbleibenden Standbeine sind das Filmstudio Warner, das TV-Kanal-Geschäft Turner Broadcasting System und eben HBO. (ds)