"Eine bedeutend präzisere Medizin wäre möglich"

Vinod Khosla, Veteran unter den Risikokapitalgebern, ist überzeugt, dass künftig Handys über unsere Gesundheit wachen und die Diagnosen stellen werden. Ärzte blieben für komplexe Aufgaben wichtig.

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Von
  • Jason Pontin

Vinod Khosla, Veteran unter den Risikokapitalgebern, ist überzeugt, dass künftig Handys über unsere Gesundheit wachen und die Diagnosen stellen werden. Ärzte blieben für komplexe Aufgaben wichtig.

Vinod Khosla (59) war Gründer und CEO von Sun Microsystems. Seit 28 Jahren ist er als Risikokapitalgeber tätig. Als Partner bei Kleiner Perkins Caufield & Byers war er an der Entwicklung einiger Technologien beteiligt, die dem Internet zugrunde liegen. Heute leitet er Khosla Ventures und investiert in Unternehmen für digitale Gesundheit.

Technology Review: Sie fokussieren Ihre Investments auf das Gesundheitswesen. Was hat Sie da überrascht?

Vinod Khosla: Wie schlecht es ist. Ein Beispiel: Forscher gaben 40 Kardiologen Krankendaten und fragten sie: Braucht dieser Patient eine Operation? Eine Hälfte sagte Ja, die andere Nein. Zwei Jahre später bekamen die Ärzte dieselben Daten – und 40 Prozent änderten ihre Meinung! Ob Sie eine OP erhalten, soll also davon abhängen, welchen Arzt Sie zufällig wählen?

TR: Angesichts solcher Grenzen sagen Sie, etwa 80 Prozent der Aufgaben von Ärzten könnten Maschinen übernehmen. Welche sind das – und welche sollten nach wie vor Menschen ausüben?

Khosla: Atul Gawande zufolge, einem der berühmtesten Chirurgen (einer von drei Abteilungsleitern in Bill Clintons "Health Care Task Force", Anm. d. Red.), sind Maschinen viel besser für kognitive Aufgaben geeignet, also Diagnosen zu stellen und das richtige Rezept auszuschreiben.

Bei rein ethischen Fragen oder wenn es darum geht, Patienten etwa zu trösten, sind wiederum Menschen viel besser. Das wirft die Frage auf, mit der ich Ärzte regelmäßig stinksauer mache: Wenn wir eine humane Pflege wollen, sollten wir dann nicht die humansten Menschen dafür nehmen?

TR: Ärzte werden dem also nicht immer gerecht?

Khosla: Medizinische Universitäten wählen ihre Studenten anhand ihres IQ-Werts und ihres Fleißes aus, nicht danach, ob sie Mitgefühl besitzen. Ich sage nicht, dass wir keine Menschen brauchen, aber ihre Rolle muss definiert werden. Brauchen wir Ärzte auf den Stationen für Verbrennungsopfer? Absolut.

Was schwer vorherzusagen ist: Wird die Kombination aus Mensch plus Computer besser sein? Oder wäre, etwa in den Ecken der Welt, wo es im Umkreis von 50 Meilen keinen Arzt gibt, nicht doch eine Maschine besser?

TR: Aber wollen die Menschen wirklich selbst die Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen?

Khosla: Ja. Ich habe oft gesagt, dass unser Ziel für die Medizin darin bestehen sollte, den Kunden zum Chef seiner Gesundheit zu machen. Damit meine ich nicht, dass er sich selbst Diagnosen stellen soll. Aber jeder Haushalt sollte einen digitalen Erste-Hilfe-Kasten mit Geräten wie CellScope, einem Handyaufsatz für Ohruntersuchungen oder AliveCors für EKG-Messungen besitzen. Oder auch ein dermatologisches Gerät für Aufnahmen von Muttermalen auf der Haut.

TR: Wäre das wirklich eine bessere Medizin?

Khosla: Eine bedeutend präzisere Medizin. Wir tragen unsere Smartphones fast rund um die Uhr am Körper, damit können wir eine Menge machen. Wir haben in das Start-up Ginger.io investiert, das mit Ihrer Erlaubnis

Ihr Handy dazu benutzt, Mikrogewohnheiten aufzuzeichnen, die Auskunft über Ihre mentale Verfassung geben können. Es findet etwa heraus, was Sie donnerstagabends tun. Rufen Sie Ihre Freunde an, um Pläne fürs Wochenende zu machen? Es stellt fest, wenn Sie diese Woche nichts gegessen haben, weil Sie vom Schlafzimmer nicht in die Küche gegangen sind.

Ich denke, es wird möglich werden, Sie in jedem Krankheitsstadium gesünder zu machen. Wohlbefinden wird der Sinn des Gesundheitswesens werden. Derzeit ist es Krankenpflege. (bsc)