Mathematica rechnet falsch

Mathematiker sind misstrauisch bei Resultaten, die man nicht mit Papier und Bleistift nachvollziehen kann. Und sie tun gut daran: Drei spanische Mathematiker haben jetzt das renommierte Computeralgebrasystem Mathematica beim Falschrechnen ertappt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Harald Bögeholz

Computeralgebrasysteme sind auch nur Software, und kaum eine Software ist frei von Fehlern. Warum sollte das also ausgerechnet bei Mathematica von Wolfram Research anders sein? Trotzdem neigt man dazu, den Berechnungen eines renommierten und über viele Jahre gereiften Computeralgebrasystems erst einmal zu vertrauen. Und das kann viel Frust erzeugen.

In der November-Ausgabe der Notices of the American Mathematical Society berichten Antonio J. Durán, Mario Pérez und Juan L. Varona unter dem Titel "The Misfortunes of a Trio of Mathematicians Using Computer Algebra Systems. Can We Trust in Them?" von einem Fehler in Mathematica, der sie sicherlich viel Zeit und Gehirnschmalz gekostet hat. Es geht um Determinanten von Matrizen mit recht großen Ganzzahlen (ca. 10.000 Stellen). Hier haben sie Beispiele konstruiert, bei denen aus der Theorie bekannt ist, dass das Ergebnis positiv sein muss. Doch gelegentlich erhielten sie negative Zahlen, und was noch schlimmer ist: Ein und dieselbe Berechnung zweimal hintereinander ausgeführt lieferte unterschiedliche Ergebnisse.

Dieser Ausschnitt aus einem Mathematica-Notebook demonstriert den Fehler beim Berechnen von Determinanten.

heise online konnte den Fehler anhand der bereitgestellten Beispiel-Notebooks mit der aktuellen Mathematica-Version 10.0.1.0 unter OS X 10.10 nachvollziehen. Nun müsste man wegen eines Software-Fehlers keinen so großen Wind machen, doch der Frust der Wissenschaftler ist nachvollziehbar: Zunächst einmal war es sicherlich nicht einfach, den Bug auf ein nachvollziehbares Beispiel einzugrenzen. Dann haben sie ihn am 7. Oktober 2013 gemeldet, Wolfram Research hat sich freundlich bedankt und ein Jahr später ist er immer noch vorhanden. Angesichts dessen sind die Autoren noch sehr freundlich mit ihrer Kritik an Wolfram Research im Speziellen und Closed-Source-Software im Allgemeinen. [Update] Im Forum zu dieser Meldung hat Wolfram Research klargestellt, dass der 2013 gemeldete Bug sehr wohl behoben worden sei und es sich um einen neuen Fehler handle. Wenn man das zitierte Paper genau liest, findet man dort auch die Bemerkung, dass die Autoren neue Beispiele gefunden haben, die in Mathematica 10 zu Fehlern führen.[/Update]

Dennoch sind Computeralgebrasysteme aus der mathematischen Forschung nicht mehr wegzudenken, und experimentelle Mathematik ist eine wichtige Forschungsmethode. Denn was macht man, wenn man eine Vermutung hat, für die man keinen Beweis findet? Erst mal ganz viele Beispiele rechnen, vielleicht kann man daran etwas erkennen oder findet sogar ein Gegenbeispiel. Und wie der aktuelle Vorfall zeigt, sollte man sich dabei nicht auf eine einzige Software verlassen, sondern mindestens eine zweite hinzuziehen – wie auch in diesem Fall geschehen. Ein Teammitglied hatte mit Mathematica ein Gegenbeispiel gefunden und ein anderes zum Glück mit Maple gegengerechnet. (bo)