Btrfs-Erfinder stuft sein Linux-Dateisystem als stabil ein

Chris Mason stuft das von ihm erfundene Btrfs jetzt als stabil ein, nennt aber auch eine Funktion des Linux-Dateisystems, die noch nicht bereit für den produktiven Einsatz ist.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Neuerdings warnt das Formatierungswerkzeug nicht mehr, Btrfs sei experimentell.

"Btrfs ist meiner Ansicht nach stabil, wird allerdings zugleich auch noch sehr stark weiterentwickelt." Mit diesen Worten beschreibt Chris Mason den Entwicklungsstand des von ihm erfundenen Dateisystems Btrfs in einer Mail an heise open.

Gemeinhin gilt das seit Anfang 2009 im Rahmen des Linux-Kernels entwickelte Dateisystem bislang als experimentell und instabil. Das war es auch lange, entsprechende Auszeichnungen in Hilfetexten zu Btrfs-Unterstützung des Linux-Kernels wurden aber im vergangenen Jahr sukzessive entfernt (1, 2, 3). Eine weitere Abschreckungsmaßnahme verschwand mit der Ende August veröffentlichten Version 3.16 der Btrfs-Werkzeuge: Das dort enthaltene Formatierungsprogramm zum Anlegen eines Btrfs-Dateisystems warnt seitdem nicht mehr in großen Lettern, dass Btrfs experimentell sei.

Bislang gab es vom leitenden Btrfs-Entwickler aber kein im Internet auffindbares Bekenntnis, Btrfs sei "stabil" oder "reif für den Produktionseinsatz". Masons jetzt getroffene Aussage zur Stabilität von Btrfs gilt aber nicht universell, denn in seiner Mail weist er auch auf eine noch problematische Dateisystemfunktion hin: Der bei Linux 3.9 in den Kernel integrierte Code zum Erstellen eines RAID 5 oder 6 mit Btrfs sei noch nicht reif für den Produktiveinsatz. Mason konzentriert sich gerade darauf, diese Funktion zu verbessern.

Unreife und instabile Funktionen in anderweitig als stabil geltenden Dateisystemen sind bei Linux-Dateisystemen nichts ungewöhnliches. Auch die Entwickler der Linux-Dateisysteme Ext4 und XFS integrieren gelegentlich experimentelle Neuerungen in ihre als stabil geltenden Dateisysteme; in der Regel sind solche Verbesserungen aber standardmäßig inaktiv, solange sie in der manchmal mehrere Jahre dauernden Entwicklungsphase stecken.

Suse legt eine Reihe von Btrfs-Funktionen lahm.

Mason erwähnt in seiner Mail auch, dass Btrfs bei Datenbank-Workloads unglücklicherweise bislang nicht mit der Geschwindigkeit von XFS oder Ext4 mithalten könne. Zudem zeigt sich Mason an Problemen interessiert, die es mit der Dateikompression durch das Dateisystem gibt. Das ist eine von mehreren Btrfs-Funktionen, die Suse beim diese Woche freigegebenen Suse Enterprise Linux (SLE) 12 standardmäßig lahmgelegt hat.

Der heise-open-Artikel zu den Neuerungen des Unternehmens-Linux war der Anlass für Masons Mail, denn darin wurde erwähnt, dass Btrfs bislang nicht für stabil erklärt worden sei. Ein Suse-Mitarbeiter bat daraufhin in einer Mailanfrage, die in Kopie an heise open ging, Mason um eine Einschätzung zur Stabilität von Btrfs, die dieser prompt lieferte.

Masons Mail zum Entwicklungsstand von Btrfs.

SLE12 nutzt Btrfs als Standard-Dateisystem für das Betriebssystem; für Datenpartitionen kommt hingegen XFS zum Einsatz. Bei Suse gilt Btrfs schon länger als produktionsreif, denn das Unternehmen unterstützt das Dateisystem bereits seit dem Service Pack 2 für Suse Linux Enterprise 11, das im Februar 2012 erschienen ist. Zwei Wochen später erklärte auch Oracle das Btrfs-Dateisystem zu einer Funktion, deren Einsatz der Support-Vertrag für Oracle Linux abdeckt.

Mason, der früher bei Suse viel an Reiserfs mitgearbeitet hat, arbeitete damals noch bei Oracle; heute ist er bei Facebook. In seiner Mail erwähnt er, Suse trage viel zur Entwicklung von Btrfs bei und habe die Expertise, Kunden bei der Wahl des richtigen Dateisystems zur Seite zu stehen. Da Btrfs noch stark weiterentwickelt werde sei es zudem äußerst wichtig, dass sich Firmen an der Btrfs-Entwicklung beteiligen, die Btrfs an ihre Nutzer herausgeben.

Btrfs als Standard-Dateisystem einzusetzen steht auch bei anderen Distributionen auf der Agenda. Bei der von Suse gesponserten Community-Distribution OpenSuse steht der Wechsel kurz bevor, denn das Anfang November erwartet OpenSuse 13.2 soll standardmäßig Btrfs für das Betriebssystem nutzen.

Beim Fedora-Projekt wurde der Wechsel auf Btrfs kürzlich länger diskutiert. Die von Red Hat gesponserte Linux-Distribution wollte ursprünglich schon vor Jahren von Ext4 auf Btrfs als Standard-Dateisystem umsteigen. Nach der jetzigen Debatte, in der vage über noch bestehende Probleme von Btrfs und dessen Reparatur-Werkzeugen diskutiert wurde, scheint der Wechsel nur grob für Fedora 23 angedacht zu sein, das frühestens in einem Jahr erscheinen soll.

Bei Red Hat Enterprise Linux ist Btrfs nach wie vor ein Technology Preview, dessen Einsatz vom Support-Vertrag nicht abgedeckt wird. Bei der im Sommer erschienenen Version dieses Unternehmens-Linux setzt Red Hat erstmals auf XFS als Standard-Dateisystem.

Distributoren und manche Anwender finden Btrfs teilweise sehr attraktiv, weil es einige Funktionen bietet, die anderen Linux-Dateisystemen fehlen oder sich nur umständlicher realisieren lassen. Bei Suse Enterprise Linux etwa legt das Suse-Tool Snapper mit der Snapshot-Funktion von Btrfs in Sekundenbruchteilen immer einen Zwischenstand des Betriebssystems ab, bevor Anwender die Konfiguration ändern oder Updates einspielen. Geht bei diesen Aufgaben etwas schief, kann der Anwender einzelne Dateien aus dem Snapshot zurückholen oder notfalls sogar komplett zu dem Betriebssystem-Zwischenstand zurück wechseln. Das gelingt durch die Verwendung von Copy-on-Write; durch die Schreib-Strategie braucht Btrfs auch kein "Journal", mit dem Ext4, XFS und andere Dateisysteme arbeiten, um die Gefahr von Inkonsistenzen bei Abstürzen zu senken.

Details zu diesen und anderen Eigenschaften von Btrfs liefert ein 2009 veröffentlichter heise-open-Artikel:

(thl)