Cloud-Fragmentierung: Sirenengesang aus den Wolken

Vor wenigen Jahren war die Cloud für viele Chefs ein rotes Tuch.‭ ‬Häufig schlossen Fachbereiche Service-Verträge ab,‭ ‬ohne die IT zu informieren.‭ ‬Jetzt überbieten sich alle Großen darin,‭ ‬den Anwendern entsprechende Vereinheitlichungen zu verkaufen.

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Mahatma Gandhi soll folgende Weisheit über‭ ‬die‭ ‬Revolutions-Anführer gesagt haben:‭ "Zuerst ignorieren sie dich,‭ ‬dann lachen sie über dich,‭ ‬dann kämpfen sie gegen dich‭ – ‬und dann gewinnst du‭!" So ähnlich war die Entwicklung in den letzten Jahren beim Cloud-Computing und den etablierten Infrastruktur-Anbietern.‭ ‬Salesforce,‭ ‬Amazon und Google-Business wurden zunächst ignoriert und dann von Oracle,‭ ‬Microsoft und vielen anderen belächelt.‭ ‬Doch inzwischen sind alle Großen auf den Cloud-Zug aufgesprungen und machen den Pionieren massive Konkurrenz.‭ ‬Das heißt,‭ ‬die Cloud hat gewonnen.

Eine Analyse von Harald Weiss

Harald Weiss ist seit über zehn Jahren freier Fachjournalist in New York und berichtet regelmäßig von vielen bedeutenden IT-Events in den USA. Er begann seine Berufslaufbahn als Softwareentwickler und System-Ingenieur.

Nachdem‭ ‬also‭ ‬der Siegeszug der verschiedenen Cloud-Strukturen unstrittig ist,‭ ‬gilt es nun,‭ ‬das Schlachtfeld aufzuräumen.‭ ‬Da hat sich nämlich allerhand Gerümpel angesammelt.‭ ‬Oracle-Co-CEO Mark Hurd sprach jüngst davon,‭ ‬dass es viele Unternehmen gibt,‭ ‬in denen bis zu‭ ‬20‭ ‬verschiedene Cloud-Anbieter vertreten sind‭ – ‬jeder mit mehreren Anwendungen.‭ ‬Mit anderen Worten:‭ ‬Nach dem Wildwuchs von Servern und Applikationen,‭ ‬dem anschließenden Wildwuchs an virtuellen Maschinen‭ (‬VM‭) ‬hat sich nun ein immenser Wildwuchs an Cloud-Lösungen ausgebreitet.

Generell bieten sich zur‭ ‬Vereinheitlichung zwei‭ ‬Vorgehensweisen‭ ‬an.‭ ‬Entweder Konsolidierung aller innerbetrieblichen Cloud-Anwendungen auf eine Plattform‭ – ‬zumindest aber auf einen Anbieter,‭ ‬oder eine Cloud-übergreifende Integration der bestehenden Anwendungen.‭ Technisch gesehen ist dem ersten Weg immer der Vorzug zu geben,‭ ‬weil damit nicht nur eine einheitliche Plattform zum Einsatz kommt,‭ ‬sondern auch eine Lieferanten-Konsolidierung erfolgt.‭ ‬Das wiederum bedeutet weniger Schuldzuweisungen und Abstimmungen.‭ ‬Doch in vielen‭ ‬Fällen ist das ein steiniger Weg,‭ ‬denn an den einzelnen Cloud-Silos hängen bereits diverse Geschäftsprozesse,‭ ‬die man nicht so ohne‭ ‬weiteres auf andere Plattformen transferieren kann.

Dessen ungeachtet singen alle alten und neuen Cloud-Unterstützer genau dieses Lied.‭ ‬Dabei beschimpfen sie jeweils die anderen Anbieter einer proprietären Systemstruktur,‭ ‬wogegen es bei den eigenen Angeboten keine Restriktionen geben würde.‭ ‬‭ "Kein Cloud-Anbieter ist an einer‭ ‬Interoperabilität interessiert‭",‭ meint George Kurian von NetApp.‭ ‬Das stimmt.‭ ‬Noch nie waren die IT-Anbieter an Kompatibilität und Austauschbarkeit interessiert,‭ ‬denn das drückt auf die Margen.‭ ‬NetApp und EMC waren hier mit ihren Storage-Systemen über viele Jahre hinweg die führenden Beispiele.

Jetzt soll es bei den neuen Cloud-Anwendungen ähnlich gut funktionieren.‭ ‬Hierbei setzen die großen Infrastrukturanbieter vor allem auf eine PaaS-Verbindung von On-Premise und Cloud,‭ ‬also den sogenannten Hybrid-Clouds.‭ ‬Ziel ist es,‭ ‬die interne Plattform mit proprietären Systemkomponenten auszustatten über die dann entsprechend kompatible Systemkomponenten bei den‭ ‬PaaS-Providern optimal angeschlossen werden können.‭ ‬Die großen Cloud-Provider,‭ ‬wie Amazon,‭ ‬Microsoft oder IBM, springen schnell auf diesen Zug auf,‭ ‬da sie sich darüber gutes Zusatzgeschäft versprechen.‭ ‬Doch die Anwender sollten vorsichtig sein,‭ ‬denn das bedeutet fast immer eine extrem starre‭ ‬– ‬und letztlich teure‭ ‬– ‬Lieferanten-Bindung.

Außerdem unterstützt der gegenwärtige Cloud-Trend nicht die Behauptung,‭ ‬dass alles einheitlich sein muss.‭ ‬Hybrid-Cloud-Lösungen betreffen vor allem die Erweiterung bestehender Anwendungen‭ – ‬häufig sogar Legacy-Lösungen auf Mainframes,‭ ‬denen jetzt ein modernes User-Interface übergestülpt wird.‭ ‬Das ist durchaus interessant,‭ ‬doch das Hauptinteresse der Fachbereiche und IT-Chefs an der Cloud-Nutzung konzentriert sich auf zwei‭ ‬Bereiche:‭ ‬Erstens,‭ ‬alles Neue wird inzwischen Cloud-‭ ‬und‭ ‬Mobile-First entwickelt,‭ ‬und hier sollte die Wahl der‭ ‬genutzten‭ ‬Plattform unabhängig davon sein,‭ ‬wie gut sich Mainframes anbinden lassen.‭ ‬Zweitens,‭ ‬individuelle‭ ‬IT-Anwendungen werden zum entscheidenden Konkurrenzfaktor.‭ ‬Deshalb müssen sie schnell entwickelt und verfügbar sein.‭ ‬Und auch diese Plattform sollte von Altlasten frei sein.

Damit kein Missverständnis aufkommt:‭ ‬Der Cloud-Wildwuchs muss eingedämmt werden und die betroffenen Anwendungen und Daten sind zu verknüpfen.‭ ‬Doch es gelten hier die gleichen Gesetze,‭ ‬wie bei der Vereinheitlichung von‭ ‬On-Premise-Lösungen:‭ ‬Man muss nicht alle Anwendungen auf denselben Enterprise-Bus zwingen‭; ‬man kann sogar in vielen Fällen‭ ‬die‭ ‬kaum integrierbaren Converged-Systems‭ ‬einsetzen‭ – ‬wenn es sich um entsprechend isolierte Anwendungen handelt.

Ähnlich ist es bei der Cloud.‭ ‬Die Daten,‭ ‬Programme und Geschäftsprozesse müssen‭ ‬jetzt‭ ‬nicht zwanghaft vereinheitlicht werden.‭ ‬In vielen Fällen reichen Cross-Integrationen,‭ ‬wie sie beispielsweise von der Software AG angeboten werden,‭ ‬völlig aus.‭ ‬Damit macht man auch den Anbietern deutlich,‭ ‬dass man nicht auf deren Sirenengesang aus den Wolken hereingefallen ist.‭ ‬Und man hat weiterhin die Freiheit,‭ ‬fallweise das zu nutzen,‭ ‬was den‭ ‬jeweiligen‭ ‬Anforderungen entspricht und preisgünstig zu erwerben ist. (fo)