Nach US-Wahl: Sorge um Supreme Court

Nach der US-Wahl sind Nachbesetzungen wichtiger Ämter deutlich schwieriger geworden. US-Anwalt John Mitchell sorgt sich vor allem um das Höchstgericht, den Supreme Court. Heise online sprach mit ihm über Copyright, Patentreform, TPP, und das liebe Geld.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Daniel AJ Sokolov
Inhaltsverzeichnis

"Das Machtgefüge hat sich nicht enorm verändert", meint US-Anwalt John T. Mitchell über die Midterm Elections. Denn der nun republikanisch dominierte Senat sei traditionell kooperativer als das Repräsentantenhaus. Mitchell arbeitet in Washington (DC) und übernimmt vor allem Fälle, in denen es um freie Meinungsäußerung, freien Wettbewerb (darunter Aereo), die Privatsphäre, Copyright (etwa Kirtsaeng) oder Religionsfreiheit geht. Seine größte politische Sorge nach der Wahl ist, dass in den nächsten zwei Jahre eine Richterstelle am Supreme Court vakant wird. Denn deren Nachbesetzung wäre schwierig.

Die neun Richter des Supreme Court werden auf Lebenszeit bestellt. Dafür müsste sich der Demokrat Obama mit dem nun republikanisch dominierten Senat einigen. Gelingt das nicht, bleibt die Stelle unbesetzt. Alleine kann der Präsident nur handeln, wenn der Senat nicht arbeitet. Und diese Ausnahme hat der Supreme Court erst vor Kurzem eng ausgelegt.

Das Höchstgericht widmet sich laufend schwierigen juristischen Problemen mit Technologiebezug, man denke an Aereo, Softwarepatente, Überwachungsthemen oder Fragen des Copyright. Politisch brisant war die Genehmigung von Obamacare, während zur Homosexuellenehe bislang kein Fall angenommen wurde.

Im Auftrag der kleinen Kabelnetz-Betreiber unterstütze Anwalt John T.
Mitchell Aereo vor dem Supreme Court.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Die Richter sind nicht die Jüngsten. Mit 54 Jahren ist Elena Kagan das Nesthäkchen. Drei Richter sind über 70, Ruth Bader Ginsburg zählt schon über 80 Lenze. Jederzeit könnte eine der neun Stellen freiwerden. Mitchell fürchtet, dass bei einer Nachbesetzung nicht der Höchstqualifizierte zum Zug kommt, sondern ein weniger guter Kompromisskandidat.

Innerhalb der republikanischen Partei müsse nun geklärt werden, wer den Fahrplan bis zur Präsidentenwahl in zwei Jahren vorgibt – die Tea Party oder das tendenziell von Großunternehme(r)n finanzierte "Partei-Establishment". Letzteres werde sich durchsetzen, erwartet Mitchell. Danach werde es zu einer Patentreform kommen: "Die Kosten der Patentprozesse sind eine richtig große Ablenkung vom Geldverdienen. Also werden sie es ein bisschen schwieriger machen, ein Patent zu bekommen, und ein bisschen schwieriger, deswegen zu klagen."

Allerdings sei diese Reform seit der Entscheidung des Supreme Court zu Softwarepatenten weniger dringlich. Daher werde die Reform vielleicht nicht groß ausfallen. "Dieses Parlament wird nach Dingen suchen, von denen sie dann sagen können, dass sie sie zu Wege gebracht haben", beschreibt Mitchell die Lage, "vor allem gegenüber Leuten mit Geld."

Denn der nächste Wahlkampf kommt bestimmt. Die aktuellen Midterm Elections sollen mehr als vier Milliarden Dollar verschlungen haben. Die Präsidentenwahl 2016 wird teurer. Auch das ist Folge einer Entscheidung des Supreme Court.

Das Copyright werde vom Wahlergebnis wenig beeinflusst. "Sowohl die Technologiebranche als auch die Copyrightindustrie arbeiten hart daran, Verbündete in beiden Parteien zu finden", schilderte der Jurist. Wie bei anderen Themen auch würden die Abgeordneten gerne Anhörungen abhalten und dann Druck in Richtung einer außerparlamentarischen Lösung machen – einem "Industry Concensus". Dieser werde dann in Recht gegossen.

"Das Problem: Die allgemeine Öffentlichkeit bleibt dabei außen vor. Nur wenn es eine große Bürgerbewegung gibt, die viel Lärm macht, hört das Parlament zu. Aber sonst arbeitet es lieber im Stillen." Und: "Manchmal sieht es fast so aus, als wollten sie Probleme gar nicht lösen", stellte Mitchell den Politikern anheim, "Dann können sie weiterhin zeigen, wie sehr sie sich einsetzen, und so den Spendenhahn offenhalten."

Größere Auswirkungen auf das Copyright könnte das Trans-Pacific Partnership (TPP) haben. Staatsverträge müssen nur vom Senat, nicht aber vom Repräsentantenhaus genehmigt werden. Die Genehmigung kann jedoch bereits erteilt werden, bevor das Abkommen fertig verhandelt ist. "Und worin viele Lobbyisten sehr gut sind, ist, in der allerletzten Minute ihre Dinge einzufügen", sagte Mitchell.

Er selbst ist nach wie vor erbost, dass Obama dem US-Handelsvertreter gestattet hat, im Geheimen zu agieren: "Nicht einmal die Parlamentsabgeordneten haben bisher Zugang zu den Dokumenten." Und selbst wenn TPP keine total verrückten Vorgaben mache, könne es bei der Umsetzung in nationales Recht schlimmer werden. So sei es etwa beim WIPO-Abkommen über den Schutz von DRM-Maßnahmen gelaufen.

Naheliegenderweise erwartet der Anwalt, dass die Republikaner neue Anläufe zur Abschaffung der Krankenversicherungspflicht (Obamacare) unternehmen. Und auch sonst wäre er nicht überrascht, gäbe es Gesetzesbeschlüsse, gegen die Obama sein Veto einlegen werde (müssen). "Dann können die Republikaner sagen: 'Hätten wir doch nur einen Republikaner im Weißen Haus.'"

Beim Budget hingegen erwartet Mitchell größere Kompromissbereitschaft als in den letzten Jahren. "Denn die Republikaner wollen nicht die Katastrophe (einer radikalen Budgetkürzung) erben, falls sie in zwei Jahren das Weiße Haus erobern."

Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Lage nach den US-Wahlen. Heise online trifft dazu in der US-Hauptstadt Washington, DC, Experten mit unterschiedlichen Einstellungen und Arbeitsgebieten.

Bislang erschienen:

Die Midterm Elections haben der republikanischen Partei deutliche Mandatsgewinne gebracht. Sie haben nun auch im Senat eine Mehrheit. Auch in vielen Staaten konnten sie reüssieren. Die Demokraten, die Partei US-Präsident Barack Obama, sind nun in beiden Kammern auf republikanische Zustimmung angewiesen. (ola)