Schutz der Privatsphäre: "US-Parlament ist gezwungen zu handeln"

Trotz aller Zwistigkeiten werde das US-Parlament beim Thema Privatsphäre tätig werden müssen. Das meint Marc Rotenberg von EPIC (Electronic Privacy Information Center). Bei seinem Einsatz für die Privatsphäre aller Bürger arbeitet er mit Abgeordneten beider Parlamentsparteien.

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Inhaltsverzeichnis

Kommendes Jahr laufen drei zentrale Bestimmungen des USA Patriot Act aus – sofern nicht eine neuerliche Verlängerung beschlossen wird. "Das Parlament wird Anfang kommenden Jahres handeln müssen", war sich Marc Rotenberg im Gespräch mit heise online sicher. Außerdem wirft er ein scharfes Auge auf drei Gesetzesanträge, die noch dem gegenwärtigen, alten US-Parlament vorliegen: Reformen bei der NSA, beim FBI-Zugriff auf E-Mails und bei der Weitergabe von Daten für Sicherheitsbelange.

Marc Rotenberg: "Die Demokraten haben nichts für die Privatsphäre getan, seit sie von Snowden mit heruntergelassenen Hosen erwischt wurden."

(Bild: Daniel AJ Soklolov / heise online)

Rotenberg ist Präsident des Electronic Privacy Information Center (EPIC). Diese Nichtregierungsorganisation setzt sich für die Privatsphäre der Bürger ein und nimmt Spenden auch nur von diesen an. Unternehmen als Geldgeber sind nicht willkommen. Denn sie haben oft anders gelagerte Interessen: "Die Technologiebranche kümmert sich um Privacy nur in Zusammenhang mit ihrem Umsatz", wirft Rotenberg dem Silicon Valley vor. "Nur bei der NSA sind sie aktiv. Sonst lobbyieren sie gegen Privatsphäre."

Der zunehmende Einfluss von Internetfirmen auf die Politik bereitet Rotenberg Sorgen. Beispielhaft nennt er die im September erfolgten Ernennungen im Weißen Haus: US-Präsident Barack Obama hat den von ihm 2009 geschaffenen Posten des US-CTO (Chief Technology Officer) mit Megan Smith neu besetzt. Smith war zuvor Vizepräsidentin bei Googles Entwicklungsabteilung Google X. Nun berät sie den US-Präsidenten.

Als ihr Stellvertreter wurde Alexander Macgillivray berufen. Er soll sich in Obamas Regierung vor allem um Internetpolitik, Immaterialgüterrechte, Big Data und Privatsphäre kümmern. Bis 2013 war Macgillivray noch Twitters Chefjurist und dabei auch für Lobbying zuständig. Davor arbeitete auch Macgillivray bei Google.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die drei Gesetzesanträge, die für EPIC besondere Bedeutung haben, sind der USA Freedom Act, eine Novelle des Electronic Communications Privacy Act, sowie CISPA. CISPA steht für Cyber Intelligence Sharing and Protection Act. Das Gesetz, das schon 2012 und erneut 2013 vom Repräsentantenhaus beschlossen wurde, soll den Datenaustausch zwischen Unternemen und Behörden für Zwecke der IT-Sicherheit ermöglichen. "Es gibt aber keine Einschränkungen für die weitere Verwendung der Daten!", ist Rotenberg empört.

Obama hat ebenfalls fehlende Schranken moniert und angekündigt, das Gesetz nicht zu unterschreiben. Daraufhin hat der Senat gar nicht darüber abgestimmt. Es hat bislang also keine Rechtskraft erlangt. Dieses Jahr wurde jedoch im Senat ein ähnlicher Antrag (CISA) eingebracht. Der USA Freedom Act derweil ist aus Sicht Rotenbergs ein "bescheidener Vorschlag" für eine NSA-Reform.

Am ursprünglichen Electronic Communications Privacy Act hat der Jurist Rotenberg selbst mitgearbeitet. Nun steht eine Novelle an. Damit soll klar gestellt werden, dass das FBI für den Zugrif auf E-Mail-Server einen Durchsuchungsbefehl braucht. Das ist aus EPIC-Sicht aber nicht hinreichend. "Wir würden aber gerne weiter gehen", hielt Rotenberg fest, "Wir müssen regulieren, wie Google und Co mit den persönlichen Daten der Nutzer umgehen."

Insbesondere das Anlegen von Profilen über die Nutzer (user profiling) müsse eingeschränkt werden. "Google hat bisher jedwede Gesetzesänderung blockiert", so Rotenberg, "Es ist offen, ob sie das weiterhin werden tun können."

"Wir arbeiten (mit Politikern) querfeld", sagte Rotenberg, "Das Thema Privatstphäre geht quer durch die Parteien." Zwei Abgeordnete der Demokraten werden ihm im neuen Parlament abgehen – "beim Thema Privatsphäre", wie er betonte: Mark Begich aus Alaska und Mark Udall aus Utah sind nicht wiedergewählt worden. Dafür kann er weiterhin mit Republikanern wie den Repräsentanten Jason Chaffetz aus Utah und Joe Barton aus Texas reden. Auch Senator Rand Paul aus Kentucky ist ein Ansprechpartner.

Von der Arbeit der Demokraten ist Rotenberg enttäuscht. Manche ausgearbeitete Gesetzesanträge seien gar nicht erst im Parlament eingebracht worden. Und: "Sie haben nichts für die Privatsphäre getan, seit sie von Snowden mit heruntergelassenen Hosen erwischt wurden."


Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Lage nach den US-Wahlen. Heise online trifft dazu in der US-Hauptstadt Washington, DC, Experten mit unterschiedlichen Einstellungen und Arbeitsgebieten.
Bislang erschienen:

Die Midterm Elections haben der republikanischen Partei deutliche Mandatsgewinne gebracht. Sie haben nun auch im Senat eine Mehrheit. Auch in vielen Staaten konnten sie reüssieren. Die Demokraten, die Partei US-Präsident Barack Obama, sind nun in beiden Kammern auf republikanische Zustimmung angewiesen. (ds)