Analyse: Open Source .NET kommt gerade noch rechtzeitig

Die Schritte Microsofts, die eigene Entwicklerplattform quelloffen zur Verfügung zu stellen und sich anderen Plattformen zu öffnen, waren unvermeidbar. Denn die Zeiten der Marktmacht eines Herstellers oder siloartiger Softwarestacks sind längst vorbei.

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Von
  • Alexander Neumann

Microsofts Ankündigungen offenbaren, wie tiefgreifend der kulturelle Wandel beim Konzern ist. Der neue Chef Satya Nadella steht hierfür in der Außendarstellung. Der schon bald komplett als Open-Source-Software vorliegende .NET-Server-Stack und eine Entwicklungsplattform, die auch unter Mac OS und Linux zu nutzen sein wird, sind Ausdruck genug dafür, dass Microsoft den Wandel tatsächlich auch lebt – beziehungsweise leben muss.

Eine Einschätzung von Alexander Neumann

Alexander Neumann ist seit sieben Jahren Redakteur von heise Developer und organisiert darüber hinaus mehrere erfolgreiche Entwicklerveranstaltungen.

Über ein Open-Source-.NET wurde schon immer gerne spekuliert, und es war auch kein Wunder, dass vor etwas über einer Dekade mit Mono gleich eine Open-Source-Implementierung auf die Inthronisierung der neuen Microsoft-Entwicklungsplattform folgte. Manche sagen, der jetzige Schritt komme zu spät – vielleicht kommt er aber gerade noch rechtzeitig. Denn darauf hin hat Microsoft vermutlich schon lange gearbeitet, viel länger, als es die im April 2014 gegründete .NET Foundation gibt, die schon damals auf den jetzigen Schritt hindeuten ließ. Als andere Signale seien nur die Open-Source-Legung von ASP.NET, C#, Visual Basic und der zugehörigen .NET-Compiler-Plattform Roslyn in die Runde geworfen. In die gleiche Kerbe schlägt, dass Sprachen wie F# und TypeScript, aber auch andere Microsoft-Projekte von Beginn quelloffen sind. War die Open-Source-Legung bei Microsoft früher ein Ausdruck dafür, dass man ein Produkt aufgab, sind alle diese genannten Projekte auch weiterhin strategisch wichtig für den Konzern.

Microsoft kommt schon geraume Zeit nicht umhin, auf die zunehmende Durchdringung von Open-Source-Software in der Software- und Webentwicklung zu reagieren. Die Zeiten früherer Marktmacht eines einzelnen Unternehmens sind vorbei. Die hohe Qualität vieler quelloffener Produkte sind eine stete Gefahr für sämtliche alteingesessenen Schwergewichte der Entwicklerzunft. Gelingt es nicht, das Tempo und den großen Innovationsgrad von Open Source zu kontern, bleibt nur die Integration mit diesen Techniken. Das ist ein Grund dafür, dass die Zeit siloartiger Softwarestacks allmählich vorbei ist. Open Source hat für einen eklatanten Wandel im Softwaregeschäft gesorgt und dazu geführt, dass Entwickler nun im Zentrum der IT stehen. Oder wie Marc Andreessen es formuliert hat: "software is eating the world".

Microsoft-Kunden haben natürlich schon länger mehr als nur die Produkte des Redmonder Konzerns auf dem Schirm. Das verdeutlichen zum Beispiel Zahlen des Unternehmens, nach denen 20 Prozent der Azure-VMs mit Linux laufen. Die Entwicklungslandschaft in großen Unternehmen ist sowieso heterogen. An diese richten sich die jüngsten Entwicklungen in erster Linie. Man muss heute viel härter darum kämpfen, die Kundschaft bei Laune zu halten. Klar erhofft sich das Unternehmen auch, durch den Schritt neue Kunden zu gewinnen, die eine durchgehende Unterstützung mehrerer Plattformen brauchen.

Diese Portabilität von Anwendungen wird wichtiger. Vielleicht ist sie sogar der Schlüssel für weitere Erfolge, natürlich aufgrund der Entwicklung für viele mobile Plattformen. Aber auch aufgrund der jüngsten Erfahrungen, wo sich Continuous Delivery und DevOps auf kultureller und entwicklungsprozessgetriebener Seite und die Container-Verpachtungstechnik Docker auf technischer Seite anschicken, die Softwareentwicklung zu revolutionieren. Obgleich Docker noch ziemlich neu ist, haben nahezu alle großen Unternehmen Unterstützung dafür oder ihre Beteiligung im Projekt angekündigt – darunter auch Microsoft. Mit Docker lassen sich Anwendungen samt ihrer Abhängigkeiten in Container verpacken, in denen sie sich später leicht weitergeben und ausführen lassen.

Der Konzern hat die Zeichen der Zeit erkannt und präsentiert den Wandel mittlerweile nun auch nach außen. Microsofts Entwicklungsabteilung lebt ihn durch die Einführung agiler Prinzipien, von Continuous Delivery und einer von modernen Arbeitsmethoden geprägten Kultur schon länger. Das und die Tatsache, dass Microsoft doch tatsächlich zur Open-Source-Firma wird, können die Voraussetzungen dafür sein, dass der Konzern aus schwacher Ausgangsstellung den Weg in eine kaum mehr vorstellbare rosige Zukunft schafft.

Siehe dazu auf heise Developer:

(ane)