Debian: Systemd-Streit vertreibt Entwickler

Nach den teilweise sehr hitzigen Diskussionen um die Einführung von Systemd als Standard-Init-System der kommenden Debian-Version 8 (Jessie) haben mehrere prominente Debian-Entwickler Konsequenzen gezogen.

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Debian: Systemd-Streit vertreibt bekannte Entwickler
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Seit gut einem Jahr diskutiert das Debian-Projekt über eine Umstellung des Init-Systems auf Systemd oder Upstart. Durch diese Debatten, die teilweise sehr emotional geführt wurden und immer noch nicht zu einer Entscheidung geführt haben, scheinen die Nerven bei immer mehr Debian-Entwicklern blank zu liegen.

Zwei Mitglieder des achtköpfigen Technical Committee (TC), zuständig für technische Entscheidungen, haben ihren Rücktritt erklärt. Colin Watson möchte nur noch weitermachen, bis ein Nachfolger für ihn gefunden ist, Russ Allbery hat jetzt seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Beide hatten in den Diskussionen um Systemd im TC zu vermitteln versucht.

In einer ausführlichen Mail erklärt Allbery, derzeit verbringe er den Großteil seiner Zeit im Debian-Projekt mit Diskussionen über Entscheidungsstrukturen im Projekt. Nahezu alle Entscheidungen des Technical Committee seien derzeit hoch problematisch. Zudem habe er nicht den Eindruck, dass seine Arbeit im TC dem Projekt weiterhelfe. Seiner Meinung nach sollten Entscheidungen von den Leuten getroffen werden, die in den betroffenen Bereichen arbeiten. Er wolle nicht zu jemanden werden, der nirgends mitarbeitet, aber überall reinredet.

Zuvor hatte sich schon der bekannte Debian-Entwickler Joey Hess nach 18 Jahren mit einem knappen So long an thanks for all the fish verabschiedet. Dabei übte er heftige Kritik an der Debian Constitution, die die Entscheidungsprozesse in der Debian-Community festlegt. Debian sei nicht mehr das Projekt, bei dem er 1996 angefangen habe. In seinem Blog beklagt sich Hess, die Strukturen im Debian-Projekt seien mittlerweile so komplex, dass er Entscheidungsprozesse gar nicht mehr nachvollziehen könne. Den tiefen Streit um Systemd kann Hess nicht nachvollziehen: In einigen Jahren werde es keinerlei Rolle mehr spielen, welches Init-System 2014 zum Debian-Standard gekürt wurde.

Mit Tollef Fog Heen hat zudem einer der Systemd-Maintainer hingeworfen. Der langjährige Debian-Entwickler bedauert diesen Schritt: Er habe keineswegs das Interesse an Systemd oder Debian verloren, erklärt er in seinem Blog. Aber den Anfeindungen gegenüber allen Leuten, die mit Systemd zu tun haben, wolle er sich nicht länger aussetzen.

Im Februar dieses Jahres hatte sich das Debian Technical Committee nach monatelangen Diskussionen knapp für Systemd als Standard-Init-System der kommenden Debian-Version 8 (Jessie) entschieden, jedoch erklärt, dass man sich von einer General Resolution (GR) aller Debian-Entwickler überstimmen lassen werde. Mittlerweile gibt es Debian-erneute Diskussionen um Systemd: Derzeit laufen zwei GR über die Frage, ob Debian-Pakete von einem bestimmten Init-System abhängen dürfen.

Langwierige Diskussionen sind allerdings nicht ungewöhnlich im Debian-Projekt, das viel Wert auf basisdemokratische Entscheidungen unter Einbezug aller Beteiligten legt. Bislang hat die Debian-Community noch alle Debatten ohne größere Schäden überstanden – auch wenn immer wieder mal einzelne Entwickler frustriert hingeschmissen haben.

Siehe dazu auch:

(odi)