Netzneutralität entzweit den EU-Rat

Telekommunikationspolitiker der EU-Mitgliedsstaaten konnten sich bei ihrem jüngsten Ratstreffen nicht auf eine Linie zum offenen Internet und zu Roaming einigen. Das EU-Parlament will die Netzneutralität weiterhin stärken.

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(Bild: dpa, Ole Spata)

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Die italienische Präsidentschaft konnte sich am Donnerstag im Telekommunikationsrat nicht mit ihrem Vorschlag durchsetzen, das Prinzip des offenen Internets im geplanten Regulierungspaket für den digitalen Binnenmarkt zu verwässern. Der Rat spricht in einer Mitteilung zwar davon, dass die "meisten Mitgliedsstaaten" den Text der Italiener als "gute Basis für die weitere Arbeit" bezeichnet hätten. Er räumt aber auch ein, dass die Mehrheit der EU-Länder weitere Diskussionen vor allem zur Netzneutralität für nötig hielten.

Eigentlich sollte der Ministerrat bei dem Treffen in Brüssel seine offizielle Position zu den neuen Regeln für den Telekommunikationsmarkt beschließen. Davon ist das Gremium aber noch weit entfernt. Dass die Ratsführung die Möglichkeiten von Providern erweitern wollte, Internetverkehr zu blockieren, zu verlangsamen, zu verändern oder zwischen spezifischen Inhalten, Anwendungen, Diensten oder Qualitätsklassen zu unterscheiden, trug in dieser Form vor allem Großbritannien mit. Auf der Insel sind voreingestellte Netzfilter und Websperren gang und gäbe.

Vor allem die Niederlande und Slowenien machten sich dagegen für eine Netzneutralität ohne Hintertüren stark. In beiden Ländern sind einschlägige nationale Gesetze in Kraft. Den Haag brachte einen eigenen Antrag ein, mit dem eine "Diskriminierung" von Datenpaketen anhand unterschiedlicher Preismodelle im Netz untersagt werden soll. Der von mehreren Delegationen unterstützte Vorstoß zielt auf ein Verbot etwa von Bandbreitenlimits oder die Ausnahme eigener Inhaltsangebote eines Zugangsanbieters von festgesetzten Datenabrufgrenzen.

Estland drängte darauf, die umkämpften, mit Zusatzkosten verknüpften "Spezialdienste" klar begrifflich zu umreißen. Kritikern zufolge könnten derlei "betreute" Offerten mautpflichtigen Überholspuren im Internet Vorrang einräumen. Insgesamt betonten dem Rat zufolge eine "große Anzahl" der Ländervertreter etwa auch aus Berlin oder Madrid die Bedeutung eines offenen und unterschiedslosen Zugangs zum Netz. Es sei ihrer Ansicht nach aber genauso wichtig, "Innovation und Investment" im Internet zu fördern.

Das EU-Parlament bekräftigte parallel in seiner umstrittenen Resolution zum digitalen Binnenmarkt seine im April abgesteckte Linie, wonach "der gesamte Internetverkehr gleich und ohne Diskriminierung, Einschränkung oder Störung unabhängig von Absender, Empfänger, Art, Inhalt, Gerät, Dienst oder Anwendung behandelt" werden sollte.

Weiterer Stein des Anstoßes unter den Mitgliedsstaaten ist die Linie der Ratspräsidentschaft zu Roaming-Gebühren. Geht es nach der Kommission und den Abgeordneten, sollen diese Vermittlungskosten im Ausland bald wegfallen. Italien hat dagegen eine "Fair Use"-Klausel ins Spiel gebracht, wonach sich die Kostenfreiheit nur auf Telekommunikationsverkehr beziehen soll, der im Rahmen der Nutzung eines Kunden in seinem Ursprungsland bleibt. Viele Mitgliedsstaaten plädierten hier dafür, einen Roaming-Bericht des europäischen Regulierungsgremiums Gerek abzuwarten. (axk)