Die CDU entdeckt das Internet
Zu viel vorgenommen hatte sich der niedersächsische Landesverband mit seinem ersten Internetkongress "Der Mensch im Netz".
Zu viel vorgenommen hatte sich der niedersächsische Landesverband der CDU mit seinem ersten Internetkongress "Der Mensch im Netz". An einem einzigen Tag wollte man den vier Schwerpunktthemen "eBusiness - Zukunft oder Irrweg", "Tatort Internet - Medium zwischen Anonymität und staatlicher Überwachung", "Neue Medien - Auswirkungen auf unser Bildungssysthem" und "Bürgergesellschaft und Online-Demokratie" mit einem jeweiligen Forum nachgehen.
Nachholbedarf bei den Politikern konstatierte CDU-Generalsekretärin Angela Merkel in ihrer Einführungsrede. "Im Bundestag sitzen Juristen, Lehrer und Beamte, aber niemand, der beruflich mit den Zukunftstechnologien zu tun hat. Unsere Parlamente sind zu wissensfern besetzt" sagte die promovierte Physikerin.
Daran dürften die Foren des Kongresses kaum etwas geändert haben. Zeitdruck und mäßige Moderation verhinderten nahezu jede kontroverse Diskussion unter den Referenten sowie mit den Teilnehmern im Saal. So blieben Ausführungen des BKA-Hauptkommissars Ekkehart Kappler zum Sicherheitsthema völlig unkommentiert im Raume stehen. Keiner der Referenten wollte seine Zentrale für "anlassunabhängige" Netzkontrolle als einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien ausmachen. Diese verbieten den staatlichen Strafverfolgern ein Tätigwerden ohne konkreten Verdacht. Die Ausnahmen von dieser Regel, etwa die "verdachtsunabhängige Kontrolle" des Bundesgrenzschutzes, sind arg umstritten. Auch sah niemand sich genötigt, die Begehrlichkeiten Kapplers, seine Behörde solle zentrale Internetpolizei sein, als schlicht grundgesetzwidrig zurückweisen. Mindestens zu diesem politisch wie verfassungsrechtlich äußerst strittigen Komplex hätte man auf einer solchen Tagung Widerspruch erwarten dürfen.
Auch unter den Bildungspolitikern herrschte bestes Einvernehmen. Allein der Landesvorsitzende der SchĂĽler Union Philipp Stegmann fiel mit seinen AusfĂĽhrungen ĂĽber den computertechnischen "Schrottplatz" Schule und seiner Forderung nach kostenloser oder wenigstens extrem gĂĽnstiger Software fĂĽr den Bildungssektor aus dem Rahmen. "Ich verfolge das jetzt seit vier Jahren: Alle sind sich einig, nur wir SchĂĽler merken nichts davon" sagte Gymnasiast Stegmann der c't. (tig)