Wie eine zur Stadt zur Google Fiber City wird

Glasfaseranschlüsse direkt von Google sind schnell, günstig und heiß begehrt. Was US-Städte tun müssen, um die schnellen Internetanschlüsse zu bekommen, hat c't in Phoenix, Arizona, eruiert. Es offenbaren sich Mühen mit der US-Heimatsicherheit sowie bauliche Nachteile für jüngere US-Städte.

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Inhaltsverzeichnis

Google Fiber, die von Google selbst verlegten "FTTH"-Glasfaseranschlüsse, sind sehr gefragt. Bislang gibt es Google Fiber erst in drei Gebieten: Austin (Texas), Kansas City (Kansas/Missouri) und Provo (Utah). Seit Februar prüft Google in neun Ballungszentren weitere 34 Kommunen. Google will von ihnen vor allem genaue Daten und keine Schwierigkeiten. Die Stadtverwaltungen putzen sich für den Schönheitswettbewerb heraus.

Blick auf Phoenix vom South Mountain

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Grundsätzlich sammelt Google ja gerne Daten. Bei Google Fiber jedoch sollen die Städte von sich aus alle Informationen liefern. In der öffentlichen Checklist (PDF) beschreibt das Unternehmen drei Kernelemente: Angaben über die geltenden Vorschriften und Verfahren auf regionaler und bundesstaatlicher Ebene, Informationen über die bestehende Infrastruktur und Zugang zu eben dieser Infrastruktur.

Bei den Vorschriften geht es nicht nur um Rechtsnormen wie Bauordnung und Umweltschutzauflagen, sondern auch um örtliche Gepflogenheiten wie etwa den Zeitplan für Baumstutzungen. Dazu kommen umfangreiche georeferenzierte Daten (Dateiformate .shb oder .gdb). Sie müssen jeden Schacht, jeden Mast, jede Straßenlampe exakt verorten.

Google hat außerdem seine Vorstellungen davon veröffentlicht, wie die Errichtung des Netzes von statten gehen soll: Flott. Alle Verfahren müssen rein elektronisch laufen, grundsätzlich wird eine einzige Baugenehmigung für die gesamte Stadt verlangt und Entscheidung über jede beantragte Genehmigung binnen zehn Tagen. Google selbst liefert Pläne dabei nur im PDF-Format. Passen die Abläufe und Vorschriften einer Stadt nicht in dieses Schema, muss sie das begründen.

Rick Naimark ist de stellvertretende City Manager der Stadt Phoenix.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Die Stadtverwaltung von Phoenix, Arizona, ist gerne bereit, Googles Forderungen zu erfüllen. Im Ballungsraum Phoenix leben mehr als zwölf Millionen Menschen, aufgeteilt auf etwa zwei Dutzend Kommunen, die nahtlos in einander übergehen. Nur drei dieser Kommunen stehen bei Google Fiber auf der Shortlist: Phoenix, Scottsdale und Tempe. Warum unmittelbare Nachbarn wie Chandler und Mesa nicht dabei sind, bleibt Googles Geheimnis.

"Wir sind sehr optimistisch", sagte Rick Naimark, stellvertretender City Manager der Stadt Phoenix, im Gespräch mit c't. Er hat bereits bestimmte Verwaltungsabläufe angepasst (Streamlining). "Wir haben sehr unternehmensfreundliche Genehmigungsverfahren und eine positive Einstellung gegenüber Unternehmen", betonte Naimark. Dazu gehöre auch, andere Anbieter nicht zu benachteiligen. "Wir haben uns mit anderen Internetprovidern getroffen. Sie wollen dieselbe Behandlung" wie Google und sollen sie auch bekommen: Etwa alle Daten, die Google erhält.

Kevin Igo ist in der Stadt Phoenix für Netzwerkprojekte verantwortlich.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Dazu gehören die Geodaten, die Phoenix' Netzwerkspezialist Kevin Igo zusammengestellt hat. Auf 2,5 GByte sind Landkarten, Infrastrukturen, Flächenwidmungen, Wegerechte, mögliche Barrieren und vieles andere mehr verzeichnet. Nicht alle diese Angaben sind öffentlich. Die US-Heimatsicherheit besteht nämlich darauf, dass bestimmte Informationen geheim bleiben. Das betrifft etwa den Verlauf von Wasserrohren oder Datenleitungen aller Art. Wer das wissen möchte wird überprüft und muss eine Schweigevereinbarung (Non-Dislcosure Agreement, NDA) unterzeichnen. Solche nationalen Sicherheitsauflagen sind aus Sicht der beiden Phoenizier die größte Hürde für Google Fiber.

Für den Betrieb des Glasfasernetzes braucht Google nicht nur die von DSL bekannten Street Cabinets, sondern zusätzlich vielfach größere "Fiber Huts". Diese vorgefertigten Hütten erinnern an Schiffscontainer, bloß mit weniger Charme. Der rundherum gezogene Stacheldrahtzaun trägt dazu bei. Jede Hütte belegt 130 Quadratmeter öffentlichen Grundes. Die jeweilige Stadt soll die dafür notwendigen Flächen finden und zur Verfügung stellen. Igo geht davon aus, dass Google in der Stadt Phoenix mit 30 bis 40 Fiber Huts auskommen wird.

Diesen Plan für eine "Fiber Hut" hat Google in City of Leawood eingereicht und genehmigt bekommen. Trotzdem wird es in der Kommune in der Region von Kansas City kein Google Fiber geben.

(Bild: Aus Akten der City of Leawood)

Den Vertrag über die Stellflächen für diese Glashütten hat Google praktischerweise selbst verfasst. Der Konzern kann ihn jederzeit mit 30 Tagen Frist kündigen. Eine Kündigung durch die Kommune ist hingegen nicht vorgesehen, außer Google verletzt fortgesetzt den Vertrag (60 Tage Frist). Sollte es für einen einzelnen Standort "überzeugendes Öffentliches Interesse" geben, kann die Kommune mit Vorwarnung von mindestens einem halben Jahr diesen Standort schließen, soll dann aber Alternativstandorte nennen. Das Betonfundament darf sie in jedem Fall behalten, denn Google räumt es grundsätzlich nicht weg.

Nur beim Mietzins für den öffentlichen Grund gibt es ein bisschen Spielraum. In Kansas City, Missouri, bekam Google ihn gratis. Sollte Phoenix zum Zug kommen, wäre eine Miete von umgerechnet 20 Eurocent pro Quadratmeter und Jahr fällig.

Google hängt seine Glasfaserkabel mit Vorliebe auf bestehende Masten anstatt selbst welche zu errichten oder gar in die Tiefe zu graben. Das spart Zeit und Geld. Wo Verlegungen im Boden notwendig und keine passenden Rohre vorhanden sind wird das Kabel gerne in eine seichte Ritze gelegt.

Hier liegen jüngere Städte und Neubaugebiete im Hintertreffen: "Wir haben weniger Masten herumstehen, weil wir mehr im Boden verlegt haben. Also muss Google mehr graben", meinte Naimark. Das würde Google zusätzliche Kosten verursachen, zudem ist der Boden in Phoenix stellenweise ziemlich hart. Jene Masten, die es gibt, gehören zum Großteil einem bestehenden Internet Service Provider. Der hat an der neuen Konkurrenz naturgemäß wenig Interesse.

Andererseits, so Naimark, habe Phoenix den Vorteil, dass Google auf bereits vorhandene Glasfasern zurückgreifen kann. Der Wasser- und Stromversorger und auch ein lokaler Stadtbahnbetreiber haben Glasfaser verlegt, die genutzt werden kann. Und auch die Bevölkerungsstruktur sei ein Vorteil. Sie ist geprägt von starkem Zuzug vor allem jüngerer Menschen. Eine große Uni zieht viele Studenten an und treibt Firmengründungen. Außerdem haben mehrere Unternehmen der Hightech- und Biomedizinbranchen ihren Sitz in dem Wüstental. Auch deren Mitarbeiter wissen fette Bandbreite mit Flatrate zu schätzen.

Aus der Sicht mitteleuropäischer Städte sind Googles Bedingungen ungewöhnlich bis unmöglich. Doch die 34 Kommunen, die bei Google in die engere Wahl gekommen sind, haben laxere Vorschriften. Und eigentlich keine Wahl.

Die bestehenden und möglichen zukünftigen Gebiete mit Google Fiber in den Vereinigten Staaten.

(Bild: Google)

Laut Google soll diese Ausbaustufe vorerst die letzte sein. Wer jetzt nicht dabei ist, bleibt auf absehbare Zeit ohne Fiber-to-the-Home (FTTH). Und selbst zu investieren ist der öffentlichen Hand in zumindest 19 US-Staaten per Gesetz untersagt. Das ist ein Erfolg der ISP-Lobby.

Milo Medin, bis September Chef des Google-Fiber-Projekts, hat in einer Aussage vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses 2011 (PDF) keine Zweifel an seinen Prioritäten gelassen: Auflagen und Vorschriften würden Google von der Investition abhalten. Deswegen habe Google auch nicht vor der eigenen Haustür, in Kalifornien, sondern in Kansas City mit Glasfaser begonnen. Als konkretes Hindernis führte Medin ein kalifornisches Umweltschutzgesetz an.

Die City of Leawood im Ballungsraum Kansas City, Kansas, hat davon ein Lied zu singen (PDF): Google kündigte den Vertrag mit der Stadt nach nicht einmal einem Jahr wieder. Denn in dieser Kommune ist es untersagt, entlang öffentlicher Straßen neue Masten aufzustellen. Die bestehenden Netzbetreiber haben ihre Kabel daher im Boden verlegt. Google war das zu teuer. In Leawood wird es kein Google Fiber geben.

Schon zuvor hatte Google in Kansas City Kritik geerntet (kostenpflichtiger Artikel). Hinterfragt werden die vielen gebührenfreien Leistungen, welche Google Fiber von der öffentlichen Hand erhält. Außerdem gibt es laut Harper's Magazine eine Klausel, die den Stadtverantwortlichen öffentliche Äußerungen über Google Fiber untersagt, sofern sie nicht mit Google abgesprochen sind. Die City of Leawood darf sich nach eigenem Bekunden noch bis Herbst 2016 nicht im Detail äußern.

Und schließlich gibt es eine brisante Grenzziehung.

Google Fiber unterteilt seine Tätigkeitsgebiete in kleine Zonen, so genannte Fiberhoods. Nur wenn aus einer Fiberhood eine ausreichend hohe Zahl an Vorbestellungen kommt, werden dort auch Kabel verlegt. Diese Schwelle wird von Google für jedes Fiberhood separat festgelegt, meist zwischen fünf und 25 Prozent der Haushalte. Die Menge der Voranmeldungen bestimmt außerdem die Reihenfolge, in der die Stadtviertel drankommen.

Im Gebiet Kansas City definierte Google ohne Beteiligung der Stadtverwaltungen 202 Fiberhoods. Eine wichtige Grenze wurde entlang einer Straße gezogen, die auch eine gesellschaftliche Grenze markiert: Auf der einen Seite vorwiegend weiße Wohnviertel, auf der anderen Seite vorwiegend schwarze Viertel. Die einen vergleichsweise wohlhabend und internetaffin, die anderen eher arm und offline. Die ärmeren Viertel drohten an der Mindestteilnehmerzahl zu scheitern.

Google Fiber: Tarife (Kansas City und Provo)
Variante 7 Jahre gratis Gigabit Gigabit & IPTV
Datenrate 5 MBit/s download, 1 MBit/s uplink 1 GBit/s down/up 1 GBit/s down/up
Monatspreis kostenlos 70 US-$ 120 US-$*
Installation 300 US-$ kostenlos kostenlos

Damit wären deren Bewohner noch weiter ins soziale und wirtschaftliche Hintertreffen geraten. Erst ein aufwändiger Einsatz von Lehrern und Bibliothekaren in letzter Minute, die mit Unterstützung von Google-Mitarbeitern von Tür zu Tür gingen und die Bewohner für Google Fiber zu gewinnen suchten, brachte eine Trendwende. 180 der 202 Fiberhoods nahmen schließlich die Hürde, nicht zuletzt weil Wohltätigkeitsorganisationen Geld für die Registrierungsgebühr von 10 Dollar pro Anschluss gesammelt hatten. 22 Stadtviertel bleiben aber ohne Glasfaser. In einem davon gab es nicht einmal eine einzige Voranmeldung.

"Wir haben Interesse daran, auch den Bürgern mit geringeren Einkommen Internetzugang zu ermöglichen", hielt Naimark fest. Und bei Google gibt es sogar eine Managerin für "Digitale Inklusion". Ihr hat Naimark Kontakte zu 20 bis 30 Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Phoenix vermittelt, welche direkten Kontakt mit den Bewohnern haben. Sie sollen das Google-Projekt unterstützen.

Schon die Aussicht auf den Glasfaserboom habe in Phoenix zu vielen Ideen geführt, berichtete Naimark. Gründerzentren für Hightech-Firmen sind ebenso im Gespräch wie kostenloses WLAN. Und selbst wenn Google Fiber doch nicht nach Phoenix kommen sollte, hatte schon die theoretische Möglichkeit einen positiven Effekt: Die eingesessenen ISP haben angekündigt, bald selbst höhere Datenraten anzubieten.

Phoenix liegt in der Wüste Arizonas. Es ist richtig heiß. Technische Probleme für die Glasfaserverlegung erwatet Kevin Igo trotzdem nicht.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

(ciw)